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„Fast nackt“-Party: Muss der nur mit Socke bekleidete Rapper an die Front?

Party mit vielen Folgen: eine Aufnahme des „Almost naked“-Events vom 21. Dezember 2023.
Party mit vielen Folgen: eine Aufnahme des „Almost naked“-Events vom 21. Dezember 2023.Reuters/Ostorozhno Novosti
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Auch andere russische Stars, die an einem ausgelassenen Fest teilgenommen hatten, sind in Ungnade gefallen. Der Kreml-treue Schnulzensänger Filip Kirkorow wird aus TV-Produktion wegretuschiert. Indes dient sich der Club-Besitzer der orthodoxen Kirche an.

Eine ausgelassene Party hat für mehrere russische Stars schwere Konsequenzen. Wie „Die Presse“ berichtete, fand kurz vor Weihnachten in einem Moskauer Club eine Feier unter dem Motto „Almost naked“ statt. Russische Celebrities, darunter mehrere Entertainer, die regelmäßig im Kreml-treuen Fernsehen auftreten, zeigten sich bei der Feierlichkeit in transparenten Netzteilen und schwarzer Unterwäsche. Besonders „gewagt“ war das alles nicht. Einzig Rapper Vacio erschien damals nackt – bis auf eine Socke, die er über seinen Penis gestülpt hatte.

Ultrapatriotische Aktivisten zeigten damals die Organisatorin, eine bekannte Influencerin, an. Ein Gericht sah bei der Party „Propaganda nicht traditioneller sexueller Beziehungen“ am Werk. Unter Druck begannen die Stars sich massenhaft öffentlich für ihre Teilnahme zu entschuldigen. Im heutigen Russland werden vom Staat konservative Werte, traditionelle Geschlechterbilder und Patriotismus propagiert. Nacktheit und Hedonismus werden immer öfter mit Homosexualität in Verbindung gebracht und als kulturell unerwünschtes Verhalten gebrandmarkt. Unlängst sah das Höchstgericht eine gewisse (tatsächlich von russischen Behörden erfundene) „internationale LGBT-Bewegung“ für extremistisch an und verbot ihre Tätigkeit in Russland.

Rapper Vacio wurde nach der Party in 15-tägige Administrativhaft genommen. Nun bekam der 25-Jährige in einem Mobilisierungszentrum einen Einberufungsbefehl zugestellt, wie die russische Zeitung „Moskowskij Komsomolets“ berichtet. Diese Praxis der Einschüchterung durch angedrohte Mobilisierung ist nicht neu. Laut eigenen Angaben ist der Rapper aber untauglich. Auch Vacio hat sich angesichts der ihm drohenden Konsequenzen bereits von „LGBT-Aktivismus“ distanziert; er sei lediglich an Frauen interessiert.

Spende von Reliquien an orthodoxe Kirche

Weniger dramatische, aber karriereschädigende Folgen hat der Abend auch für den Schlagerstar Filip Kirkorow. Seine Auftritte wurden nachträglich aus zwei prestigeträchtigen TV-Produktionen entfernt, die zu Silvester und am orthodoxen Weihnachtsabend ausgestrahlt wurden. Am Montag berichteten russische soziale Medien, dass Kirkorow sein jüngstes Honorar den Bürgern der russischen Stadt Belgorod spenden wolle. Belgorod wurde in den vergangenen Tagen wiederholt von der ukrainischen Armee beschossen. Kirkorow selbst sprach von einer „terroristischen Attacke“. Er könnte mittels der großzügigen Spende versuchen, seinen Ruf wiederherzustellen.

Dasselbe versucht offenbar auch der Betreiber des Clubs Mutabor, in dem die „Fast nackt“-Party stattfand. Er spendete am Sonntag die Reliquien eines bekannten Heiligen der orthodoxen Kirche. Ob der Club sich so freikaufen kann? Am heutigen Mittwoch trifft ein Moskauer Gericht eine Entscheidung in der „Almost naked“-Affäre. Dem Club droht eine dreimonatige behördliche Schließung wegen der Missachtung „epidemiologischer Vorschriften“.

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