Russland

Dieser Soldat kritisierte Putin – und sitzt nun im „Erdloch“

Alexander Schpilewoi rechnete in einem Video mit den prekären Verhältnissen im russischen Militär ab.
Alexander Schpilewoi rechnete in einem Video mit den prekären Verhältnissen im russischen Militär ab.Screenshot/Youtube
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Ein Russe bemängelte in einem Clip die leeren Versprechen Putins und forderte die Beendigung des Ukraine-Krieges. Dann verlor sich seine Spur. Jetzt soll er in einem Gefängnis für Deserteure festgehalten werden.

„Ich heiße Alexander und ich bin Soldat.“ Mit diesen Worten beginnt ein Video, das seit ein paar Wochen in russischen sozialen Netzwerken die Runde macht. Alexander Schpilewoi, ein junger Mann aus dem Gebiet Woronesch, kritisiert darin Wladimir Putins Ukraine-Feldzug und fordert die baldige Rückkehr von mobilgemachten Soldaten nach Hause. Seit Oktober 2022 dient der Mann in der russischen Armee, seit knapp einem Jahr ist er in einer Sturmabteilung. „Was soll ich berichten? Es gibt wenig Gutes zu berichten“, sagt er.

Zeugnisse wie dieser Clip, in denen russische Soldaten kritisch über die Lage an der Front berichten, sind aufgrund der dramatischen Konsequenzen für die Betroffenen selten. Russische Behörden gehen hart auch gegen die Versuche von Angehörigen vor, sich zu organisieren. Auch Schpilewoi bekam die Folgen seines im Fronturlaub aufgezeichneten Videos umgehend zu spüren. Nachdem er Ende Dezember zu seiner Einheit zurückgekehrt war, verlor sich seine Spur. Familienmitglieder konnten ihn wochenlang nicht erreichen, wie das russische Onlinemagazin „Wichtige Geschichten“ unter Berufung auf die Angehörigen des Mannes berichtet.

Festgehalten in einem Erdloch

Nun soll der Soldat in einer so genannten „Jama“, russisch für „Grube“ oder „Loch“, im besetzten Luhansker Gebiet festgehalten werden. So werden inoffizielle Militärgefängnisse genannt, in denen mutmaßliche Deserteure, Alkoholiker oder Drogenkranke festgehalten werden. Laut Medienberichten sind die Bedingungen miserabel; die Gefangenen werden teilweise ohne Essen in einem wortwörtlichen Erdloch gehalten.

»Frieden oder die Fortsetzung der Kampfhandlungen? Ich bin eindeutig für Frieden. Das will die Mehrheit der Staatsbürger, und die Mobilisierten wollen es mehr als alle anderen.«

Alexander Schpilewoi

Russischer Soldat im Ukraine-Krieg

Auf Putins Versprechungen über eine finanzielle Absicherung der Soldaten würden die Mobilisierten „pfeifen“, sagt der Mann in seinem Clip. Anstelle von hoher Bezahlung und Sozialleistungen für Veteranen fordert er die Heimkehr und ein Ende des Krieges. „Alle wollen dringend nach Hause“, sagt Schpilewoi. Das ist eine nicht erwünschte Botschaft für den Kreml, der Wirtschaft und Gesellschaft auf einen langen „Überlebenskampf“ einschwören will.

Angesichts der von Putin ausgegebenen Kriegsziele der Entnazifizierung und Entmilitarisierung der Ukraine müsse entschieden werden, ob diese Ziele zu erreichen seien oder nicht, anstatt den Krieg in die Länge zu ziehen, fordert dagegen der mutige Soldat. „Frieden oder die Fortsetzung der Kampfhandlungen? Ich bin eindeutig für Frieden. Das will die Mehrheit der Staatsbürger, und die Mobilisierten wollen es mehr als alle anderen.“

Was die russischen Propagandaberichte über die miserable Versorgung der ukrainischen Armee betreffe, stellt der Russe die Gegenfrage: „Als ob es bei uns anders wäre?“

„Nur die Bürokraten profitieren“

Die Video-Anklage ist nicht das Dokument eines Oppositionellen oder Anti-Kriegs-Aktivisten. Sie drückt eine allgemeine Unzufriedenheit in Soldatenkreisen aus und kritisiert in typischer russischer Manier die im Land herrschende soziale Ungerechtigkeit: „Nur die Bürokraten profitieren (vom Krieg, Anm.), das russische Volk verarmt.“

Die Erklärung des Soldaten sorgte für ein großes Echo in den Sozialen Medien. Auch Armeekreise und die Sicherheitsorgane erfuhren offenbar davon. Kurz darauf veröffentlichte der Soldat einen zweiten Clip. Darin erklärt er, offensichtlich eingeschüchtert, er habe nicht gegen Russland oder den Präsidenten agitieren oder die Armee diskreditieren wollen. Er habe lediglich auf einige Probleme aufmerksam machen wollen.

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