Traummann

Jeremy Allen White: Liefert der Hollywood-Schwarm ein neues Männerideal?

Jeremy Allen White als Carmen Berzatto in „The Bear“.
Jeremy Allen White als Carmen Berzatto in „The Bear“. FX Productions/Super Frog/Album via Imago
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Schauspieler Jeremy Allen White wird aktuell als heißester Manns Hollywoods gehandelt. Liefert er ein gänzlich neues Männerideal? Wünschenswert wäre es, besonders wahrscheinlich ist es nicht.

Jeremy Allen White ist im Moment wohl Hollywoods begehrtester Mann. Gerade mit einem Golden Globe und einem Emmy prämiert, hängt er in Übergröße an den Fassaden der prominentesten Wolkenkratzer. Und das halbnackt. Zwei Wochen ist es her, da veröffentlichte Calvin Klein die neue Kampagne mit dem Schauspieler als Testimonial. Das Netz ist seither voll davon. Von White in knappen Boxershorts und (schmachtenden) Reaktionen. Calvin-Klein-Plakate mit dem weiblichen Pendant, FKA Twigs, wurden derweil von der britischen Werbeaufsichtsbehörde verbannt. Sie würden die Musikerin als „stereotypes Sexualobjekt darstellen“. Hallo, Doppelmoral.  

Freilich ist White nicht der erste Schauspielstar, der sich auch am Modeln versucht. Ein derart überschwängliches Echo hat aber kaum einer verursacht. Woran das liegt? Nun, Erfolg macht sexy. Soweit bekannt. Zehn Jahre lang war White in der Dramedy-Serie „Shameless“ über eine dysfunktionale Großfamilie aus Chicago zu sehen. Darin gab er den jugendlichen Trinker Lip Gallagher (damals noch im weißen Unterleiberl), heimlich hochbegabt und unsterblich verliebt in die Nachbarstochter.

Zum Durchbruch verholfen hat ihm eine nicht unähnliche Rolle in der Serie „The Bear“. Wieder mimt er den Sohn, Carmen Berzatto, einer dysfunktionalen Familie aus Chicago (diesmal allerdings näher an der Mittelschicht), wieder hat er ein beachtliches Talent: Er ist Sternekoch, gearbeitet hat er in den besten Lokalen der Welt. Dafür ist er gewiss recht bodenständig, ohnehin wird sein Talent in der Familie nur wenig wertgeschätzt. Auch das eine Parallele zu Lip Gallagher.

So unbeholfen, so sexy

Mit Worten tun sich beide schwer, was ihnen die Zuschauerin in einer (fast) allwissenden Position nicht übel nimmt. Lieber würde man ihnen helfen (die Armen wissen es nicht besser!). Bei allem was so schief läuft, sind nicht diese beiden Männer das Problem, sondern allerlei prekäre Umstände. Man möchte sie in den Arm nehmen (ist es die mütterliche Responsivität?) und mathematische Gabe und Kochtalent gewissenhaft fördern.

Jeremy Allen White als Lip Gallagher in „Shameless“.
Jeremy Allen White als Lip Gallagher in „Shameless“. Showtime Networks Inc./Courtesy Everett Collection via Imago

Die Bescheidenheit teilt sich der Darsteller mit seinen Rollen, in Interviews sind ihm Fragen nach der Wäschewerbung und den Groupies sichtlich unangenehm. Das zieht. Die zerknautschte Männlichkeit, die White verkörpert, ist zeitgeistig – und aktuell lieber gesehen als die knallharte. Die „New York Times“ schreibt gar von einer neuen Ära der Herzensbrecher.

Was nun neu ist an definierter Muskelmasse (antrainiert für den Film „The Iron Claw“), wuscheligem Haar, stechend blauen Augen, sei dahingestellt. Gut, White gilt mit seinen 1,7 Metern als eher klein, seine Gesichtszüge werden in Hollywoods makelloser Welt als ungewöhnlich gehandelt. Tom Cruise und Benedict Cumberbatch haben aber auch diese Features längst eingeführt. Das soll die Masse freilich nicht am Schmachten hindern, die nachgesagte Revolution des Traummannes gelingt ihm damit aber nicht. Wie Adam Driver, der in der Serie „Girls“ einen ähnlichen Männerentwurf darbot, werden wir White vielleicht schon bald an große Blockbuster und stereotype Männerrollen verlieren.

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