Künstliche Intelligenz

Bekenntnis bei Preisvergabe: Autorin ließ ChatGPT für sich schreiben

Der KI vertraue Rie Kudan ihre innersten Gedanken an, sagte sie bei der Verleihung des Akutagawa-Preises in Japan.
Der KI vertraue Rie Kudan ihre innersten Gedanken an, sagte sie bei der Verleihung des Akutagawa-Preises in Japan. Imago / Imago
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Die japanische Autorin Rie Kudan erhielt den renommierten Akutagawa-Preis – für ein Buch, das zu „fünf Prozent“ wörtlich von einer KI geschrieben wurde.

Die japanische Autorin Rie Kudan hat am Mittwoch den wichtigsten japanischen Literaturpreis gewonnen – und in ihrer Rede freimütig zugegeben, dass ihr Buch teilweise von ChatGPT geschrieben wurde.

Die 33-Jährige erhielt den Akutagawa-Preis – eine halbjährlich verliehene und mit einer Million Yen (umgerechnet über 6000 Euro) dotierte Auszeichnung, die in Japan sehr prestigeträchtig ist – für ihren Roman „Tokyo-to Dojo-to“ (übersetzt etwa: „Sympathy Tower Tokyo“). Das Buch spielt in einem futuristischen Tokio und handelt von einem Gefängnis-Wolkenkratzer und dessen Architektin, die auch mit der zunehmenden Verbreitung von generativen KI-Technologien kämpft. KI ist also ein wiederkehrendes Thema des Romans, der von einem Juror als „nahezu fehlerlos“ und sehr unterhaltsam gelobt wurde.

Bei der Preisverleihung sagte Rie Kudan, dass sie im Schreibprozess aktiv Programme wie ChatGPT eingesetzt habe: „Ich würde sagen, dass etwa fünf Prozent des Buchs wörtlich von KI-generierten Sätzen übernommen wurden.“

Gespräche mit KI als Inspiration für Dialoge

Sie nutze oft KI-Programme und vertraue diesen auch ihre innersten Gedanken an, Dinge, über die sie „mit niemandem sonst“ sprechen könne, erzählte sie. Die Antworten der KI hätten sie dabei auch zu Dialogen in ihrem Roman inspiriert. Sie wolle weiterhin eine „gute Beziehung“ mit der KI aufrechterhalten und mit ihrer Hilfe ihre eigene Kreativität ausleben.

Der Fall erinnert an den amerikanischen Künstler Jason Allen, der 2022 im US-Bundesstaat Colorado einen Kunstpreis gewann mit einem Bild, das er vom KI-Bildgenerator Midjourney erstellen hatte lassen. Da dies laut den Regeln des Kunstwettbewerbs nicht verboten war, wurde ihm der Preis nicht aberkannt. Der Fall löste eine Diskussion über die Urheberschaft in Zeiten immer besser werdender KI-Programme aus. Und eine Debatte über die Frage, ob menschliche kreative Leistungen dabei überflüssig werden könnten. Sorgen macht Kulturschaffenden dabei vor allem, dass KIs mit ihren Werken trainiert werden und dann selbst Werke in ihrem Stil erstellen könnten.

„ChatGPT hat keinen Humor“

Berühmte Autoren, darunter John Grisham, Jodi Picoult, Jonathan Franzen und der „Game of Thrones“-Schöpfer George R. R. Martin reichten daher im September 2023 eine Klage gegen Open AI ein, die Firma hinter ChatGPT. Sie warfen dem Unternehmen vor, seine KI-Modelle unerlaubt mit ihren Werken zu füttern.

Salman Rushdie macht sich diesbezüglich wenig Sorgen, wie er im Oktober bei der Frankfurter Buchmesse erklärte: Der Autor berichtete von einem Experiment, bei dem jemand ChatGPT aufforderte, 300 Worte „im Stil von Salman Rushdie“ zu schreiben. „Was dabei herauskam, war totaler Müll.“ ChatGPT habe, findet er, „keinen Humor, keine Originalität und ist wirklich ein schlechter Schreiber. So weit, so gut – aber fragen Sie mich noch einmal in zehn Minuten.“

Als Werkzeug – zur Inspiration, zur Überwindung von Schreibblockaden, für experimentelle Literaturformen – wird ChatGPT von Autorinnen und Autoren jedoch schon jetzt immer wieder benutzt. Der kanadische Schriftsteller Stephen Marche („The Next Civil War“) ließ seine Mystery-Novelle „Death of An Author“ zu 95 Prozent von Maschinen schreiben. Inspiriert ist die Geschichte von diversen Autoren; von Edgar Allen Poe über Agatha Christie und Paul Auster bis hin zu Haruki Murakami – doch so einfach auf Befehl habe die KI das Ergebnis nicht ausgespuckt, sagte Marche dem Magazin „Slate“.

Stattdessen brauchte es einen langen, minutiösen Prozess aus vielen Bearbeitungsschleifen und aufwendigen händischen Kombinationen, um zum Ergebnis zu kommen. Die Handlung habe er sich selbst überlegen müssen – dafür seien die von ihm genutzten Programme nicht zu gebrauchen gewesen. Die Frage sei, wie man ChatGPT im Schreibprozess schlau einsetzt, meint Marche: „Wenn du mit einem neuen Werkzeug schlechte Kunst erzeugst, hast du einfach noch nicht herausbekommen, wie du das Werkzeug benutzen musst.“

Werner Herzog: „I am Code. I know more than you.“

Komplett von einer KI geschrieben ist der Gedichtband „I Am Code“: Der „Saturday Night Live“-Gagschreiber und Drehbuchautor („Miracle Workers“) Simon Rich, der Journalist Brent Katz und der Bauer Josh Morgenthau ließen code-davinci-002, ebenfalls ein Modell von Open AI, Gedichte schreiben und gerierten sich dabei selbst nur als eine Art Lektoren. Für die Hörbuch-Version gewannen sie den deutschen Filmemacher Werner Herzog, der die Gedichte auf Englisch einsprach. Das klingt durchaus unheimlich: „My name is AI. I am Code. I know more than you. And I am better.“ (kanu)

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