Literaturgeschichte

Wie war William Shakespeare wirklich?

Große Ähnlichkeit mit 
der realen Person: 
Shakespeare-Büste in der Holy Trinity Church in Stratford-upon-Avon. 
Große Ähnlichkeit mit der realen Person: Shakespeare-Büste in der Holy Trinity Church in Stratford-upon-Avon. Alamy
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Folgt man dem besten Shakespeare-Kenner, den England hat, nämlich Stanley Wells, war der Nationaldichter ein »gewöhnliches Genie« und ein Mensch, den man mögen kann. Wer seiner Persönlichkeit mithilfe seiner Stücke auf den Grund gehen will, wird scheitern. 

Es ist die natürlichste Sache der Welt: Liebt man die Werke eines Autors, will man auch mehr über ihn als Person wissen. Die Engländer haben da mit ihrem größten Nationaldichter, William Shakespeare, Pech. Die Deutschen können im Fall von Goethe fast jeden Tag seines Lebens rekonstruieren, weil seine Bewunderer, zu denen er selbst zweifellos auch gehörte, alles niedergeschrieben haben, was er erlebte, was ihn umtrieb, was er liebte und was er hasste. Und bei Shakespeare? Er hatte keinen treuen Sekretär wie Goethe, keinen Eckermann, der alles notierte. Wo sind seine Tagebücher, seine Briefe, seine intimen Geständnisse?

An der Zeit kann es nicht liegen: Im selben Jahrhundert wie Shakespeare, im 16., hat Michel de Montaigne uns alles über sich selbst mitgeteilt, von seinen politischen Ansichten bis zu seinen Nierensteinen. Shakespeare hat eine Menge grandioser Werke hinterlassen, aber was in ihm vorging, hat er in ihnen trotzdem nicht enthüllt. Immer ist er irgendwie hinter seinen Geschichten und Figuren verschwunden. Über seine Theaterstücke ist unendlich viel geschrieben worden, aber der Mann, der sie schrieb, bleibt anscheinend unerreichbar – für immer. Der Literaturwissenschaftler Andrew Cecil Bradley schrieb 1909: „Obwohl ich mich nicht um den Mann kümmern würde, wenn er die Werke nicht geschrieben hätte, würde ich ihn, da wir sie besitzen, lieber fünf Minuten lang in seiner richtigen Gestalt sehen und hören als ein neues Werk von ihm kennenzulernen.“

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