Leitartikel

Selbst die abscheulichste Idee lässt sich nicht behördlich verbieten

Donald Trump auf dem Weg zu seinem Gerichtsverfahren.
Donald Trump auf dem Weg zu seinem Gerichtsverfahren. AFP / Charly Triballeau
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Was tun mit Politikern oder Parteien, die sich über das Gesetz stellen wollen? In Europa lautet die Antwort auf diese Frage anders als in den USA.

Als Donald Trump im US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 behauptete, die Amerikaner würden selbst dann für ihn stimmen, wenn er auf offener Straße einen Menschen erschossen hätte, wurde diese Ansage als abstruses Hirngespinst eines publicitygeilen Immobilienentwicklers mit notdürftig kaschiertem Minderwertigkeitskomplex abgetan. Acht Jahre später lacht niemand mehr. Von der Vorstellung, Trump sei bloß ein Richard Lugner auf Steroiden, hat man sich in den aufgeklärten Kreisen längst verabschiedet. Und Trump selbst ist zwar nicht wegen Mordes verurteilt, aber wegen Verschwörung zum Betrug gegen die Vereinigten Staaten auf der Anklagebank. Seiner Beliebtheit bei den Wählern hat diese Anklage jedenfalls – exakt wie von Trump selbst vorhergesagt – keinen Abbruch getan.

Wie kann es sein, dass sich ein Politiker wie Donald Trump ungeniert über das Recht stellen will und trotzdem eine realistische Chance darauf hat, im kommenden November erneut zum mächtigsten Mann der USA gewählt zu werden? Verstehen die Amerikaner nicht, dass in einem Staat, in dem Gesetze nicht für alle gelten, sie selbst zum Spielball der Mächtigen werden? Angesichts der bevorstehenden Präsidentenwahl und der offensichtlichen Schwachstellen des Amtsinhabers Joe Biden sind diese Fragen jenseits des Atlantiks besonders akut, doch wir Europäer sollten uns nicht allzu sehr in Sicherheit wiegen. Denn wie die jüngst bekannt gewordenen rechtspopulistischen Gedankenspiele zur Massendeportation von Menschen mit Migrationshinter- und -vordergrund zeigen, ist der Zement der Rechtsstaatlichkeit auch in der EU brüchig geworden.

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