Arbeitsmarkt

Wie der Staat mehr Langzeitarbeitslose in Jobs bringen will

Die Beschäftigung steigt, und viele Unternehmen haben nach wie vor Probleme, offene Jobs zu besetzen (Symbolbild). 
Die Beschäftigung steigt, und viele Unternehmen haben nach wie vor Probleme, offene Jobs zu besetzen (Symbolbild). Bloomberg
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Auch in der Krise suchen viele Unternehmen Arbeitskräfte, zuletzt waren rund 108.000 Stellen offen. Der Arbeitsminister sieht die Arbeitskräfteknappheit als Chance für Langzeitarbeitslose. Eine alte Beihilfe, die neu aufgelegt wird, soll ihnen den Weg in den Arbeitsmarkt erleichtern – und gleichzeitig Unternehmen zu mehr Beschäftigten verhelfen.

Österreichs Wirtschaft schwächelt, das zeigt sich auch auf dem Arbeitsmarkt: 341.000 Menschen waren im Jahresdurchschnitt 2023 arbeitslos oder in einer AMS-Schulung, um 2,6 Prozent mehr als ein Jahr davor. Gleichzeitig aber steigt die Beschäftigung, und viele Unternehmen haben nach wie vor Probleme, offene Jobs zu besetzen. Durchschnittlich 108.000 offene Stellen meldete das AMS für den Jahresdurchschnitt 2023.

Derzeit sehe man zwar eine Entspannung, doch sie dürfte nicht anhalten. „Es wird natürlich im nächsten Aufschwung, der sich für dieses Jahr andeutet, wieder ein stärkerer Arbeits- und Fachkräftemangel zu spüren sein“, sagte Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher am Dienstag. Verstärkt wird das durch die demografische Entwicklung. Dazu kommt der anhaltende Trend zur Teilzeit: Von 2019 bis 2022 sank die durchschnittlich geleistete Wochenarbeitszeit laut Kocher von 31,5 auf 30 Stunden. „Das verstärkt den Arbeits- und Fachkräftemangel noch einmal“, so der Minister.

Analysen würden zeigen, dass mit andauernder Arbeitslosigkeit „gewisse Fähigkeiten sowie die Motivation, arbeiten zu gehen, verloren geht“, sagt Arbeitsminister Martin Kocher (Archivbild). Daher sei es wichtig, beim Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt zu helfen. 
Analysen würden zeigen, dass mit andauernder Arbeitslosigkeit „gewisse Fähigkeiten sowie die Motivation, arbeiten zu gehen, verloren geht“, sagt Arbeitsminister Martin Kocher (Archivbild). Daher sei es wichtig, beim Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt zu helfen. IMAGO/Michael Indra

Werden viele Arbeitskräfte nachgefragt, kann das für Menschen, die sich am Arbeitsmarkt schwer tun, aber auch eine Chance sein – Ältere zum Beispiel, schlecht Ausgebildete, Behinderte oder Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen. Sowie generell für Langzeitarbeitslose. So ist die Zahl der Arbeitslosen über 50 Jahren im Vorjahr sogar um 3,1 Prozent gesunken, während die allgemeine Arbeitslosigkeit um 2,6 Prozent gestiegen ist. Die Zahl der Arbeitslosen mit gesundheitlichen Einschränkungen sank um 4,5 Prozent.

Reform des Kombilohns

Nun sollen noch mehr Langzeitarbeitslose, Behinderte und Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen den Weg in den Arbeitsmarkt finden – mittels finanzieller Unterstützung durch das AMS. Die Regierung reformiert den sogenannten „Kombilohn“. Das ist ein Lohnzuschuss zum Arbeitslosengeld beziehungsweise der Notststandshilfe, der Langzeitarbeitslose dabei unterstützt, eine Arbeit aufzunehmen. Analysen würden zeigen, dass mit andauernder Arbeitslosigkeit „gewisse Fähigkeiten sowie die Motivation, arbeiten zu gehen, verloren geht“, sagte Kocher. Daher sei es wichtig, beim Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt zu helfen.

Den Kombilohn gibt es seit 2006. Langzeitarbeitslose erhalten für bis zu zwölf Monate einen AMS-Zuschlag zum Nettoeinkommen, wenn sie einen neuen Job aufnehmen, der zumindest 20 Wochenstunden umfasst. Voraussetzung ist, dass man zumindest 182 Tage beim AMS vorgemerkt ist. Der Nettolohn wird bis zur Höhe des individuellen Arbeitslosengeld- bzw. Notstandshilfeanspruchs um 30 Prozent aufgestockt. Beispiel: Wer bisher 1000 Euro Notstandshilfe erhalten hat und in einem neuen 20-Stunden-Job nur 900 Euro verdienen würde, erhält eine Beihilfe von 400 Euro und kommt so auf 1300 Euro netto im Monat.

Doch die Höhe der Beihilfe sinkt rapide, sobald die Person die Arbeitszeit aufstockt. Daher besteht derzeit kein Anreiz, auf 30 Wochenstunden zu erhöhen, weil die Beihilfe entfällt und der Lohn bei lediglich 1350 Euro netto liegt.

Neues Modell ab Juni

Ab 1. Juni gilt das neue Modell. Damit gibt es einen Anspruch auf die Beihilfe erst ab 30 Wochenstunden. Dafür aber eine Aufstockung des Arbeitslosengeldes um 55 Prozent statt bisher um 30 Prozent. Beispiel: Wer 1000 Euro vom AMS bezieht und bei 30 Wochenstunden 1350 netto im Monat verdient, erhält 200 Euro Beihilfe und kommt auf ein Einkommen von 1550 Euro.

Für Personen mit Behinderungen entfällt die Wartefrist von 182 Tagen, sie können die Förderung schon ab dem ersten Tag erhalten. Gewisse Gruppen, zum Beispiel Wiedereinsteigerinnen, erhalten die Förderung weiterhin auch bei 20 Wochenstunden. Das gilt auch für Frauen, die Betreuungspflichten haben und deshalb nicht mehr Stunden arbeiten können. Laut Kocher und AMS-Vorständin Petra Draxl soll das neue Modell den Anreiz erhöhen, 30 Wochenstunden zu arbeiten und schrittweise Richtung Vollzeitarbeit zu gehen.

Die maximale Förderhöhe liegt bei 950 Euro im Monat für bis zu ein Jahr. Personen ab 59 Jahre sowie Menschen mit verminderter Erwerbsfähigkeit können sie bis zu drei Jahre erhalten. 2023 wurden laut AMS 5780 Menschen mit dem Kombilohn gefördert, davon 58 Prozent Frauen und 62 Prozent über-50-Jährige. Das kostete rund 18 Millionen Euro.

Kocher verwies auf eine Erhebung des Wifo, laut der 55 Prozent der Bezieher mehrere Monate nach Auslaufen der Förderung noch immer beschäftigt waren. 2023 waren 13.783 Menschen mit Behinderung arbeitslos gemeldet oder in einer AMS-Schulung. 60.180 der beim AMS gemeldeten Menschen hatten gesundheitliche Einschränkungen. 93.000 der AMS-Kunden waren 50 Jahre oder älter.

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