Kazim Yilmaz (42) ist Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei in Wien. Wurzeln: Türkei.
Die Presse: Wie ist es Ihnen ergangen, als Sie von dem Treffen in Potsdam gehört haben?
Kazim Yilmaz: Mir lief es kalt den Rücken runter. Ich war schockiert und auch für einen Moment in meinen Gedanken völlig sprachlos. Schockiert und sprachlos darüber, dass es im Jahr 2024 nach wie vor derartige Vertreibungsfantasien geben kann. Schockiert auch darüber, dass hochrangige österreichische Politiker Gruppierungen, die an diesem Treffen teilgenommen haben, verharmlosen.
Welche Reaktion erwarten Sie von Politik und Zivilgesellschaft?
Ich hätte mir eine enorme Empörung erwartet. Diese ist, zumindest bis jetzt, in Österreich ausgeblieben. Derartiges Gedankengut ist nicht nur für jene Menschen gefährlich, die vertrieben werden sollen, sondern auch für die gesamte Bevölkerung. Daher will ich Martin Niemöller zitieren, einen evangelischen Pfarrer: „Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist. Als sie die Gewerkschaftler holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschaftler. Als sie die Juden holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Jude. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“
Was wollen Sie einer ganz jungen Person mit Migrationshintergrund sagen, die verängstigt ist?
Erhebe deine Stimme und zeige all jenen Menschen, dass Österreich nicht dieses tolle Land wäre, wenn es Menschen wie dich, Menschen mit Migrationshintergrund, nicht gäbe. Die Wirtschaft würde nicht funktionieren. Das Gesundheitssystem würde kollabieren. Die öffentlichen Verkehrsmittel wären lahmgelegt. Die Versorgung der österreichischen Bevölkerung mit lebenswichtigen Gütern wäre nicht sichergestellt. Sei also selbstbewusst und achtsam zugleich.