Prozesstag 11

Russischer Zeuge im Kurz-Prozess: „Schmid sprach von enormem Druck der Staatsanwaltschaft“

Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Mittwoch im Wiener Landesgericht für Strafsachen. Er plädiert auf nicht schuldig.
Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Mittwoch im Wiener Landesgericht für Strafsachen. Er plädiert auf nicht schuldig. APA / APA / Eva Manhart
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Ex-Kanzler Sebastian Kurz wird Falschaussage vorgeworfen – er bestreitet. Ex-Öbag-Aufsichtsrat Helm wurde dazu als Zeuge befragt, ebenso ein russischer Geschäftsmann. Ein zweiter Russe sagte kurzfristig ab. Am 23. Februar geht es weiter. „Die Presse“ berichtete live aus dem Gericht.

Was haben zwei Russen mit dem Prozess gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und dessen einstigen Kabinettschef Bernhard Bonelli zu tun? Die kurze Antwort: direkt wenig, indirekt so einiges. Denn: Der Hauptbelastungszeuge Thomas Schmid, einst Kurz-Intimus und Vorstand der Staatsholding Öbag, soll Waleri A. und Aleko A. im Sommer 2023 erzählt haben, dass er von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) unter Druck gesetzt worden sei, um den Ex-ÖVP-Chef zu belasten. So zumindest steht es in eidesstattlichen Erklärungen, die die Verteidiger Otto Dietrich und Werner Suppan dem Gericht vorgelegt haben. Die Oberstaatsanwälte Gregor Adamovic und Roland Koch bestreiten das vehement, weswegen Richter Michael Radasztics sich am Mittwoch selbst ein Bild machen wollte.

Dafür wurde eine Videoschaltung in die österreichische Botschaft in Moskau ermöglicht, in der sich die Geschäftsmänner ab 13 Uhr einfinden sollten. Allerdings: Es kam nur einer – dafür erhielt Radasztics ein E-Mail, dass Aleko A. unerwartet erkrankt sei. Damit blieb mehr Zeit für die – mithilfe einer Dolmetscherin ermöglichte – Einvernahme von Waleri A.

Russe über Schmid: „Sehr guter Manager“, aber Vertrauen fehlt

Der Geschäftsmann schilderte, dass er Schmid am 23. August 2023 in Amsterdam getroffen habe, um über einen Job als CEO bei einem georgischen Ölprojekt zu sprechen. Zum Projekt selbst dürfe er nichts sagen, um es nicht zu gefährden. Was er aber sagen könne sei, dass man nach einer Person mit Auslandserfahrung gesucht habe. Schmid sei ein „sehr guter Manager“, der „sehr gut Englisch“ spreche und Kontakte in Europa und in die USA habe. Das habe er in dessen Lebenslauf gelesen und als „perfekt“ empfunden. Kenntnisse des Georgischen oder Russischen seien für den Posten – der laut A. übrigens bis heute nicht vergeben wurde – nicht nötig gewesen.

Bei der ersten Begegnung habe man sich zu zweit getroffen, am Folgetag sei sein Geschäftspartner Aleko A. dabei gewesen, schilderte Waleri A. Schmid habe den beiden dann auch von den Ermittlungen der WKStA erzählt, da Waleri A. ihn darauf angesprochen habe. Denn: Nachdem er Schmids Lebenslauf „über einen alten Freund“ bekommen habe, habe er sein Team angewiesen, Informationen über diesen einzuholen. So habe er erfahren, dass Schmid in Österreich mit der Justiz zu tun hatte. Damit konfrontiert, habe Schmid erzählt, dass er einst im Team von Kurz gewesen sei. Nun sei er „von seinen Freunden enttäuscht, weil sie ihn für alles Schlechte verantwortlich gemacht“ hätten. Er habe daher entschieden, sie nun „so zu behandeln, wie sie ihn behandelt haben“. Er habe sich entschlossen, mit der WKStA zusammenzuarbeiten, um „möglichst unbeschädigt aus dem Prozess herauszukommen“. Die Staatsanwälte hätten ihn unter „enormen Druck“ gesetzt. Wie dieser Druck ausgesehen habe, wisse A. aber nicht.

Warum er sich entschieden habe, im November 2023 eine eidesstattliche Erklärung darüber abzugeben? Er sei von Otto Dietrich, dem Verteidiger von Kurz, per Telefon kontaktiert worden, schilderte der Zeuge. Dietrich habe ihm gesagt, dass er auf ein E-Mail gestoßen sei, in dem Waleri A. sich an seinen Kontaktmann wandte, der ihm Schmids Lebenslauf habe zukommen lassen. Darin schrieb er ihm, dass er von Schmids Fähigkeiten beeindruckt sei, ihn aber nicht als CEO wolle, da er sich „gegen sein Team“ gestellt habe und er so einer Person nicht vertrauen könne. Da er zum Zeitpunkt der Kontaktaufnahme durch Dietrich gerade geschäftlich in Georgien gewesen sei, habe er sich auf Anraten Dietrichs in die dortige österreichische Botschaft gesetzt.

Ex-Öbag-Aufsichtsrat: „Haben Sie mein Handy ausgelesen?“

Vor dem Russen war am Vormittag des elften Verhandlungstages Günther Helm, einst Chef des Diskonters Hofer und Aufsichtsrat der Staatsholdung Öbag, als Zeuge einvernommen worden. Er zeigte sich dabei überrascht, als er mit Chats zwischen ihm selbst und dem Industriellen Siegfried Wolf konfrontiert wurde. Ob sein Handy ausgelesen worden sei, fragte er den Richter. Radasztics verneinte, es handele sich um Nachrichten, die am Handy von Wolf gefunden worden seien. Und diese würden Fragen aufwerfen.

„Ich will dir nicht ins Gehege kommen“, schrieb Helm beispielsweise im November 2018 an Wolf. Was damit gemeint gewesen sei? Wolf habe ihm gegenüber anklingen lassen, dass er sich für den Vorstandsposten der Öbag interessiere, antwortete der Zeuge. Aber, hielt der Richter entgegen: Damals habe es die Öbag doch noch gar nicht gegeben. In einer anderen Nachricht schrieb Helm an Wolf: „Du Vorsitz, ich mache normales Mitglied.“ Ob man sich da die Posten ausgedealt habe? Helm fehlte dazu die Erinnerung. Er wisse aber, dass Wolf ein „intrinsisches Interesse daran“ habe, „dass es Österreich besser geht“ und er das „schön gefunden“ habe.

Außerdem hielt er fest, dass er weder mit Wolf („Freundschaft ist ein dehnbarer Begriff“) noch mit Kurz („wir waren nicht best buddies“) noch mit Bonelli („ich habe mich heute gefragt, wie er aussieht“) eine Beziehung im Sinne einer Freundschaft gehabt habe. Seine Tätigkeit als Öbag-Aufsichtsrat, der er von Februar 2019 bis Oktober 2022 war, habe er überdies stets unabhängig und „ohne Einflüsterer“ ausgeübt.

Urteil könnte am 23. Februar fallen

Der nächste – und möglicherweise letzte – Verhandlungstag wird nach aktuellem Stand übrigens der 23. Februar sein. An diesem Tag soll Aleko A. befragt werden. Auch Schmid soll nochmal zu hören sein – per Videoschaltung, um zu den Aussagen der Russen Stellung beziehen zu können. Eventuell wird Radasztics daran anschließend verkünden, ob Kurz und Bonelli seines Erachtens nach im parlamentarischen U-Ausschuss 2020/2021 hinsichtlich Postenvergaben bei der Öbag falsch ausgesagt haben. Die Angeklagten bestreiten das bekanntlich, die WKStA hingegen meint, die beiden hätten ihre Rolle kleingeredet. Der Liveticker zum Nachlesen:

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