Morgenglosse

Martin Sellner, ein gescheiterter Influencer

Identitären-Vordenker Martin Sellner
Identitären-Vordenker Martin SellnerAPA/Comyan/Georg Hochmuth
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Der rechtsextreme Sellner wollte über die (Pop-)Kultur in die Gesellschaft eindringen und seine Ansichten normalisieren. Erfolgreich war er damit nicht.

Fällt der Name Martin Sellner, ist der Aufschrei in der Regel groß. In Deutschland droht ihm bei erneuter Einreise gar eine Abschiebung (Am Montagabend wurde er von der deutschen Polizei aufgehalten). Das kann man freilich für gut befinden, weil Sellner ein knüppelharter Rechtsextremer ist. Er hat schon Geld dafür gesammelt, um in Seenot geratene Geflüchtete per Schiff an der Einreise nach Europa zu hindern. Eine zynische PR-Aktion aus dem Jahr 2017 in Influencer-Manier, die gewaltig missglückt ist (Flop Nr. 1). Der Attentäter von Christchurch, ein 51-facher Mörder, spendete Sellner eine Menge Geld, spekuliert wurde auch über eine amikale Verbindung.

Zudem wird Sellner als einer der intellektuellen Köpfe der Neuen Rechten gehandelt, zumindest wurde er das in den vergangenen Jahren. Sein rechtsextremes Gedankengut versuchte er fern von Glatzen und Springerstiefeln zu etablieren, quasi mainstreamtauglich zu machen. Die (Pop-)Kultur schien ihm da als gutes Eingangstor für größere Pläne. Die Gesellschaft sollte über die „Metapolitik“, wie Sellner sie nennt, infundiert werden. Stück für Stück. Dafür kaperte man 2017 die Frankfurter Buchmesse.

Der rechte Verlag Antaios lud damals Aktivisten der Identitäten ein. Nachbarstände wurden schikaniert, Bühnen besetzt, und natürlich wurde für „Remigration“ skandiert. Und kurzzeitig schien eine Einnahme der Massenkultur möglich. Mit rechten Gangster-Rappern sollte ein jüngeres Publikum gewonnen werden, bis zum Fall von Chris Ares und Co. dauerte es aber nicht allzu lang (Flop Nr. 2). Zu groß war der öffentliche Druck für Amazon, YouTube und Google, sodass Platten gesperrt wurden und Stimmen, die Sellner und die Identitären hätten groß machen sollen, recht schnell verstummten. Die Kulinarikbranche hätte mit eigenem Bier unterwandert werden sollen, heute steht es nicht einmal mehr im Onlineshop zum Verkauf (Flop Nr. 3).

Man könnte meinen: Die Normalisierung von Sellners rechtsextremem Gedankengut und das Einfallen über Kunst und Kultur hat nicht funktioniert. Nach gut sechs Jahren ist er weder großer Influencer noch der Denker, der er gern wäre. Wenn überhaupt, wird er von Trollen zitiert. Eine Welle blieb aber aus. Die jüngste Generation (stark auf sozialen Kanälen vertreten) kennt weder ihn noch die gepanzerten Beats der Identitärenrapper. Das soll die Gefahr einer solchen Denkart nicht kleinreden, zeugt aber dennoch vom Misserfolg Sellners.

Unzweifelhaft suhlt sich Sellner gern in Aufmerksamkeit. Auch die drohende Abschiebung bei erneuter Einreise nach Deutschland schien ihm zu taugen, weil sie ihm die großen Headlines bringt (er hat eine solche Einreise öffentlichkeitswirksam angekündigt und live im Netz übertragen – nach kurzem Prozedere durfte er die Grenze zu Passau überqueren). Die eine Frage steht also mindestens im Raum: Machen wir Martin Sellner gerade größer, als er ist?

In einer älteren Version des Artikels hieß es, Sellner plane eine solche Einreise schon wieder recht öffentlichkeitswirksam, er wolle den Grenzübertritt gar live übertragen. Dies wurde nun durch den tatsächlichen Einreiseversuch ersetzt.

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