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Ist die Netflix-Serie „Griselda“ zu weichgespült?

Die echte Griselda Blanco war gezeichnet vom Drogenmissbrauch
Die echte Griselda Blanco war gezeichnet vom DrogenmissbrauchArchivo/Miami Herald
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Für ihre Grausamkeit war die Drogendealerin Griselda Blanco berühmt. Die Netflix-Serie, die auf ihrem Leben basiert, zeigt erstaunlich viel Verständnis für die „Kokain-Königin“.

Sie ist hart, keine Frage, das wird schon in der ersten Folge der Netflix-Serie „Griselda“ klar: Als Griselda Blanco knapp der Ermordung entgeht, stolziert sie mit blutbespritztem Gesicht zu einem Drogenboss und verlangt von ihm, ihr Kokain zu probieren. Als sie bestohlen wird, greift sie zum Baseballschläger und vermöbelt den Dieb eigenhändig. Ihre Taten werden im Laufe der sechs Folgen blutiger, ihre Aufträge mörderischer. Doch die Gewalttaten haben nachvollziehbare Gründe: Sie erschießt ihren Ehemann, weil er von ihr verlangt hat, mit seinem Bruder zu schlafen und sie dann auch noch eine Hure nennt. Sie ist die Cleverste der sonst allesamt männlichen Drogenbosse in Miami – doch diese nehmen sie nicht ernst, weil sie eine Frau ist. Nur mittels Grausamkeit scheint sie sich durchsetzen zu können. So beschreibt es die Serie. Doch was davon ist wahr?

Die Eckpunkte stimmen durchaus überein mit dem Leben der echten Griselda Blanco, Mafiapatin und Drogenschmugglerin im großen Stil. Doch wurde einiges weggelassen oder entscheidend verändert. Das betrifft schon die Figur selbst, im Wortsinne: HauptdarstellerIn Sofía Vergara wurde zwar mit viel Schminke in Blanco verwandelt, ist als diese aber weiterhin eine außergewöhnlich schöne Frau – im Gegensatz zur echten Drogendealerin. Was irrelevant wäre, würde die Attraktivität der Figur Blanco in der Serie nicht immer wieder eine entscheidende Rolle spielen.

„Modern Family“-Star Sofía Vergara spielt die Mafiapatin
„Modern Family“-Star Sofía Vergara spielt die MafiapatinIMAGO/Netflix

Auch ihre „große Neuerung“ im Drogenhandel wird harmloser dargestellt als sie war: In der Serie gelingt es ihr, Kokain dank Orgien und Partys auch der weißen Mittel- und Oberschicht zu verkaufen. Nachweisbar sei das nicht, schreibt das US-Popkulturmedium „Vulture“. Wofür Blanco tatsächlich bekannt ist, war die Einführung der „Cocaine Cowboys“: Attentäter auf Motorrädern, die ihre Opfer im Vorbeifahren erschossen. Das Ausmaß an rücksichtsloser Gewalt war damals neu in den USA, und Blanco war eine der treibenden Figuren der Kokainkriege in Miami zwischen den Drogen-Kartellen und der Polizei, die Ende der 1970er bis Mitte der 1980er wüteten.

Für die „Kokain-Königin“ war das Geschäft höchst lukrativ: Zwischenzeitlich stieg sie zu einer der reichsten Frauen der Welt auf. Hinter jedem Vermögen stecke ein Verbrechen, sagt sie in der Serie einmal. Wie viele Menschen die echte Mafiapatin ermordete oder ermorden ließ, lässt sich nur schätzen. Von fünfzig ist mancherorts die Rede, über hundert sollen es anderen Quellen zufolge gewesen sein. In der Serie tritt sie als Beschützerin und Retterin für junge Frauen, vor allem Prostituierte, auf. In Wirklichkeit soll sie jüngere (Ex-)Geliebte ihrer Partner erschießen haben lassen.

Mit 14 Jahren soll sie einen 11-Jährigen erschossen haben

Drei Taten, die ihr angelastet werden, stechen in ihrer Grausamkeit hervor. Sie soll selbst einer Schwangeren in den Bauch geschossen haben. Und dann ist da ihr vermutlich erster Mord: Als sie fast noch ein Kind war, vernachlässigt und missbraucht, war sie beteiligt an der Entführung eines 11-jährigen Buben aus wohlhabendem Hause. Die Gruppe versuchte, Lösegeld zu erpressen. Als die Eltern des Buben nicht zahlten, soll sie ihm in den Kopf geschossen haben. Sie soll damals erst 14 Jahre alt gewesen sein.

Die dritte Tat war eher ein Unfall: Eigentlich hatte Blanco Killer beauftragt, ihren ehemaligen „Chefkiller“ Jesús „Chucho“ Castro umzubringen, weil der ihren Sohn beleidigt hatte. Doch bei der Schießerei wurde nicht Chucho getötet, sondern dessen zweijähriger Sohn. Der Fall, der in der Serie auch vorkommt, sorgte selbst in der Führungsriege des Medellín-Kartells für Entrüstung.

18 Jahre saß Griselda Blanco im Gefängnis
18 Jahre saß Griselda Blanco im Gefängnisimago stock&people

1985 schließlich wurde Blanco verhaftet und verurteilt, zu dreimal 20 Jahren Haft. Infolge eines Deals mit der Staatsanwaltschaft saß sie allerdings nur 18 Jahre ab. Zwei ihrer insgesamt vier Söhne wurden während ihrer Zeit im Gefängnis ermordet, ein dritter danach – sie alle waren im Drogenhandel aktiv. Sie selbst wurde 2012 erschossen – von „Cocaine Cowboys“.

Nur einer ihrer Söhne überlebte

Ihr jüngster Sohn Michael Corleone Sepulveda Blanco – tatsächlich benannt nach „Der Pate“ – lebt noch. Er verklagt nun Vergara, die die Serie auch produzierte, und Netflix. Er verlangt finanzielle Kompensation für die Verwendung der Lebensgeschichte seiner Mutter und beschwert sich darüber, dass er nur pro forma um Konsultation angefragt wurde (was er ablehnte). Er dürfte finanziell so oder so vom Erfolg von „Griselda“ profitieren. Sepulveda Blanco hat gerade ein Buch herausgebracht mit dem Titel „My Mother, the Godmother and the True Story of Michael Corleone Blanco“.

Geboren wurde Sepulveda Blanco übrigens im August 1978. Im selben Jahr übersiedelte seine Mutter nach Miami und begann ihren blutigen Aufstieg. In der Serie wurde das Baby ausgespart, der Bub kommt in nur zwei Folgen als Kleinkind vor: Eine kettenrauchende Mutter eines Säuglings, die Morde in Auftrag gibt? Dafür würde das Verständnis der Zuseher dann wohl doch nicht reichen.

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