Ökologie

Weißt du, wie viel Krebschen leben – im unterirdischen Wasser?

Grundwasserflohkrebs: Niphargus grandii
Grundwasserflohkrebs: Niphargus grandii Constanze Englisch
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Flohkrebse, Wasserasseln, Muschelkrebse, Hüpferlinge, Brunnenkrebschen, Milben oder Fadenwürmer: Das alles tummelt sich im Grundwasser. Aber niemand weiß, wo wie viele davon vorkommen. Jetzt entsteht erstmals eine Datenbank zur Grundwasserfauna in Österreich.

In europäischen Karten zur Biodiversität des Grundwassers scheint Österreich als arm an Arten auf. „Der Hotspot liegt südlich von Österreich, von Slowenien bis zu den Pyrenäen“, sagt Christian Griebler, Ökologe der Uni Wien. Sein Spezialgebiet ist das Grundwasser, der wassergefüllte Raum unter der Erde. In diesem Ökosystem sind Tiere und Mikroben an die lichtlose und oft sauerstoffarme Umgebung angepasst. Das Grundwasser fließt langsam durch das Lückensystem der Erdschichten. Es ist so versteckt und schwer zu erforschen, dass die Datenlage zur Artenvielfalt oft im Dunkeln bleibt.

Biapertura affinis, Grundwasserfloh.
Biapertura affinis, Grundwasserfloh.Santiago Gaviria

„Ich schätze, dass Österreich so wie an der Erdoberfläche auch im Grundwasser eine sehr hohe Biodiversität hat“, sagt Griebler, der seit seiner Diplomarbeit am Limnologischen Institut in Mondsee (heute Uni Innsbruck, vormals ÖAW) tief in die Erde blickt, auf der Suche nach aquatischen (wasserlebenden) Tierchen. Jetzt leitet er das Projekt „Die Stygofauna Österreichs“ (finanziert vom Biodiversitätsfonds des Klimaschutzministeriums), das erstmals eine digitale Bibliothek für alle Grundwasserlebewesen schafft.

Regenwurm, Oligochaeta, Haplotaxis gordioides.
Regenwurm, Oligochaeta, Haplotaxis gordioides. Günter Teichmann

Irgendwie ist es paradox, dass gerade in Österreich die elektronische Datenlage so dünn ist, denn hier gibt es eine lange Tradition in der Erforschung der Grundwasserfauna. Seit den 1890er-Jahren haben Limnologen (Süßwasserforscher) auch aus dem versteckten Bereich unter der Erde Proben genommen und die Lebewesen dokumentiert. 1926 erschien das Standardwerk von Hermann Spandl, einem Mitarbeiter des Naturhistorischen Museums Wien, zu den Lebensgemeinschaften der unterirdischen Gewässer. „Aber es waren immer Einzelpersonen, die diese Forschung aktiv gehalten haben. Zu meiner Studienzeit war das Dan Danielopol in Mondsee. Diese Forscher haben ihre Daten nie elektronisch zugänglich gemacht. Es gab zwar FWF-Projekte, Diplom- und Doktorarbeiten, aber alle Ergebnisse sind nur in einzelnen Publikationen dokumentiert“, erzählt Griebler. Sein Ziel ist nun, den Schatz an ökologischen Daten zum Grundwasser in Österreich aus der analogen Welt zu heben und als digitale Datenbank für alle öffentlich einsehbar zu machen.

Die Artenvielfalt unter Schutz stellen

Das soll zukünftigen Studien die Arbeit erleichtern. Zum Beispiel könne man neue Naturschutzgebiete festlegen, wenn man weiß, an welchen Stellen es eine besonders hohe Artenvielfalt im Grundwasser gibt oder wo endemische Arten sind, also solche, die nur dort und sonst nirgends auf der Welt vorkommen. Auch DNA-Datenbanken wie Abol, Austrian Barcode of Life, wären mit einer elektronischen Sammlung aller Grundwasserlebewesen gut bedient.

Schwiebea sind Wassermilben, die im Lückensystem des Grundwassers leben.
Schwiebea sind Wassermilben, die im Lückensystem des Grundwassers leben.Tobias Pfingstl

„Daher stelle ich Studierende an, die mithelfen, historische Daten zur Grundwasserökologie zu digitalisieren“, sagt Griebler. Die Aufgabe ist, alte Arbeiten, die teilweise noch nicht digital zugänglich sind, in elektronisch verwertbare Form zu bringen und in die Datenbank einzuspielen. Um die Bestimmung der winzigen Tierchen kümmern sich die wenigen Expertinnen und Experten in Europa, die in diese Tierarten eingearbeitet sind.

Grundwassermuschelkrebs: Kovalevskiella elisabetae.
Grundwassermuschelkrebs: Kovalevskiella elisabetae.Santiago Gaviria

Außerdem bitten die Forschenden die Öffentlichkeit um Mitarbeit: Wer einen Hausbrunnen hat oder durch eine Baustelle Zugang zu Grundwasser, kann vom Department für Limnologie oder dem Naturhistorischen Museum ein Probenahmenset bekommen.

„So erhalten wir Daten von Orten, die wir selbst nicht beproben können“, sagt Griebler. Auch mit dem VÖH (Verband Österreichischer Höhlenforschung) arbeitet das Team zusammen. Denn Höhlenwasser gehört auch zum Grundwasser, und 30 Sets mit Fangnetz und Proberöhrchen wurden bereits an private Höhlenforschende verteilt. „Außerdem können wir aus Daten der Gewässerzustandsüberwachung abschätzen, wo gute Bedingungen für eine hohe Artenvielfalt im Grundwasser sein könnten: Dort beproben wir jetzt auch“, sagt Griebler. Ebenso an den 100 Quellen in den Alpen, die im  ÖAW-Projekt „Eco Spring“ auf hydrologische und mikrobielle Parameter untersucht werden.

Grundwasserassel der Gattung Proasellus, Isopoda.
Grundwasserassel der Gattung Proasellus, Isopoda.Günter Teichmann

IN ZAHLEN

2000 Grundwasser-Arten sind in Europa bisher mindestens bekannt. Die Experten schätzen, dass Österreich über 250 Tierarten im Lückensystem unter der Erde beherbergt – vermutlich mehr als Deutschland.

180 Messstellen in der Stadt Wien haben die Forschenden im Zuge des Projekts „Hitze unter der Stadt“ beprobt (gefördert vom WWTF). 90 Prozent der Grundwassermessstellen waren besiedelt. Dabei wurden 40 Arten gezählt: Krebschen, Würmer, Asseln und Milben, die im Grundwasser der Großstadt leben.

30 Prozent mehr Schutzgebiete braucht die Welt, um das Artensterben zu bremsen. Diese Ausweitung der Naturschutzgebiete soll auch für das Grundwasser gelten.

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