WHO-Studie

Private Gesundheitsausgaben: Ärmere Haushalte stärker belastet

Arzneimittel machen einen hohen Anteil der Gesundheitsausgaben aus.
Arzneimittel machen einen hohen Anteil der Gesundheitsausgaben aus. Getty Images
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Im europäischen Vergleich steht Österreich sehr gut da – auch dank der Befreiung von der Rezeptgebühr.

Bei der finanziellen Belastung durch private Gesundheitsausgaben stehen Österreichs Haushalte im europäischen Vergleich sehr gut da, befinden sich aber nicht im absoluten Spitzenfeld. Familien mit geringerem Einkommen sind von Belastungen stärker betroffen als jene mit einem höheren Haushaltseinkommen.

Das sind die Kernaussagen einer internationalen WHO-Studie, in die das Institut für Höhere Studien (IHS) eingebunden war. Präsentiert wurden die Zwischenergebnisse am Montag, am Vortag des Tags der Sozialen Gerechtigkeit. Berücksichtigt haben die Autoren die Gesundheitsausgaben von 2004 bis 2020, die Auswirkungen der Pandemie sind in diesen Auswertungen somit nicht enthalten.

Herangezogen wurden zwei Kriterien: die sogenannten ruinösen Ausgaben – sie umfassen Ausgaben, die 40 Prozent oder mehr des Haushaltseinkommens ausmachen; und die zu Verarmung führenden Ausgaben – damit sind Ausgaben gemeint, die einen Haushalt in die Nähe oder unter die Armutsgrenze bringen bzw. Familien, die bereits unter der Armutsgrenze leben, noch weiter belasten. Bei beiden Kriterien befindet sich Österreich im europäischen Spitzenfeld, aber nicht an der absoluten Spitze – dort sind Länder wie beispielsweise die Niederlande, Deutschland und Irland zu finden.

Rezeptgebühr-Befreiung

Den größten Teil der privaten Gesundheitsausgaben machen die zahnmedizinische Versorgung, Arzneimittel sowie Medizinprodukte aus. Familien mit einem geringeren Einkommen sind stärker belastet, weil bei ihnen die Ausgaben naturgemäß schneller eine kritische Grenze (etwa die 40 Prozent des Einkommens) erreichen.

Betroffen von den tendenziell steigenden Ausgaben für Gesundheitsleistungen sind aber alle Haushalte. Zu den Gründen für den Anstieg gehören der demografische Wandel (ältere Menschen werden häufiger krank), technologische Fortschritte (dadurch werden die Produkte teurer und Selbstbehalte höher), Ineffizienzen wie etwa lange Wartezeiten im öffentlichen Gesundheitssystem, weswegen Patienten auf den privaten Sektor ausweichen, und die Fluchtbewegungen in den Jahren 2015 und 2016. Bei Letzteren spielt eine wichtige Rolle, dass schon länger notwendige Behandlungen in Österreich nachgeholt wurden.

Dass sich die Gesundheitsausgaben in Österreich dennoch in Grenzen halten, ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass so gut wie alle Menschen versichert sind. Zudem wird der allergrößte Teil der notwendigen medizinischen Leistungen von den Sozialversicherungen übernommen. Ein Pluspunkt ist dabei die Befreiung von der Rezeptgebühr, sobald diese zwei Prozent des Netto-Haushaltseinkommens pro Jahr übersteigt. Ein solcher einkommensabhängiger Deckel sollte aber für alle Selbstbehalte gelten, also auch für Medizinprodukte wie etwa einen Rollstuhl, Prothesen oder Produkte, die bei Inkontinenz gebraucht werden, lautet die wichtigste Schlussfolgerung des IHS. Sonst könnten einzelne Haushalte überproportional belastet werden.

Ein effizientes öffentliches Gesundheitssystem sei jedenfalls sehr wichtig für die soziale Absicherung, sagt Thomas Czypionka, Leiter der IHS-Forschungsgruppe Gesundheitsökonomik und Gesundheitspolitik. Für ihn sind die Ergebnisse der Studie keinesfalls überraschend, sondern waren erwartbar. Umso wichtiger sei es, jetzt Maßnahmen wie etwa die Einführung der Obergrenze für Selbstbehalte bei Medizinprodukten zu treffen, um den besagten Anstieg bei den privaten Gesundheitsausgaben rechtzeitig abzufedern.

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