Klima

Wie der Schutz des Wassers versickert

Überschwemmungen in Griechenland - Bilder wie diese werden sich künftig häufiger zeigen, der „blue deal“ der EU muss trotzdem warten.
Überschwemmungen in Griechenland - Bilder wie diese werden sich künftig häufiger zeigen, der „blue deal“ der EU muss trotzdem warten.Imago / Antonis Nikolopoulos / Eurokinissi
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Kaum angekündigt und schon wieder auf Eis gelegt: Die EU-Kommission lässt den „blue deal“ versickern. Ambitionierte Schutzmaßnahmen für Europas Gewässer bleiben damit in der Warteschleife.

Die Optik hätte nicht verheerender sein können: Genau in jener Phase, in der Südeuropa – in erster Linie weite Teile Spaniens, Siziliens und Sardiniens – unter ausgeprägter Trockenheit leidet, ist die EU-Kommission beim Wasserschutz kräftig auf die Bremse getreten. Auf den ersten Blick erkennbar war das nicht: Denn es ging lediglich um die Ankündigung kommender Termine, die der Kommissionssprecher Adalbert Jahnz verkündete. Der „Blue Deal“ wurde nicht erwähnt. Hätte er aber sollen: Denn ursprünglich war die Präsentation aller Details zum jüngsten Vorhaben der EU für den 12. März vorgesehen. In der vorigen Woche wurde dieser Termin verschoben – auf unbestimmte Zeit. Das stößt nicht nur bei jenen Menschen auf Unverständnis, denen Beschränkungen für den Wasserverbrauch auferlegt werden mussten.

Diese Entwicklung ist völlig überraschend gekommen: „Das ist eigenartig“, sagt Guido Nelissen. Der Belgier ist der stellvertretende Vorsitzende des Beratenden Ausschusses für den industriellen Wandel. „Wir haben erst kurz vor der offiziellen Verlautbarung erfahren, dass das Programm verschoben wird – ohne irgendwelche weiteren Details.“ Er hofft nun, dass das Wasserschutzprogramm wenigstens im Mai veröffentlicht wird – als Teil der „Grünen Woche“, die sich heuer auf nachhaltige Nutzung von Wasser fokussiert. Das wäre zwei Wochen vor der EU-Wahl.

Das Bündel von Schutzmaßnahmen für Wasser wurde im Verlauf des vergangenen Jahres entwickelt. Nur kurz nach den verheerenden Überschwemmungen in Griechenland, im Oktober, wurde der „Blue Deal“ dann für das Frühjahr dieses Jahres angekündigt. Schutz des Wassers sollte nicht nur ein Teil und Ergänzung des „Green Deals“ sein, sondern ein eigenständiges Element darstellen. Wasser solle als „strategische Priorität“ für den Zeitraum zwischen 2028 und 2034 sowie darüber hinaus gemacht werden.

In der „Erklärung zum Blue Deal“, die im Herbst 2023 vorgestellt worden ist, wird gefordert, dass „alle Politikbereiche auf die neue europäische Wasserpolitik abgestimmt“ werden. Wesentliche Elemente sollen „Wiederherstellung und der Schutz von Ökosystemen, Feuchtgebieten und der biologischen Vielfalt“ sein, Wasserarmmut müsse bekämpft werden. Die Landwirtschaft sei „sowohl Hauptverursacher als auch Opfer der Wasserknappheit“. Eine „umfassende EU-Wasserpolitik muss mit einem ehrgeizigen Finanzierungsplan einhergehen.“ Eine der konkreten Forderungen der Erklärung: „Alle Regelungen der gemeinsamen Agrarpolitik sollten die Förderung einer nachhaltigen und effizienten Wasserbewirtschaftung dienen.“

Mit Sätzen wie diesen schafft sich die Kommission nicht nur Freunde. Der überraschende, zumindest zeitweise Rückzug beim „Blue Deal“ ist für Beobachter allerdings vor allem eine logische Fortsetzung der Politik, mit der Konservative den „Green Deal“ schonungslos zusammengestutzt haben. Die letzte derartige Maßnahme war eine Verwässerung der Brache-Auflagen. Ursprünglich hätten Äcker um einer höheren Biodiversität willen von der landwirtschaftlichen Nutzung ausgenommen werden sollen, nun stellt die Kommission den Mitgliedsländern den Anbau für gewisse Kulturen frei.

Naturschutz- und Umweltorganisationen haben diese Entwicklungen scharf kritisiert. Claire Baffert, die sich im Brüsseler Büro des Worldwide Fund for Nature (WWF) mit dem Thema beschäftigt: „Das Absetzen des Blue Deals ist ein völlig falsches Signal.“ Sie vermutet, dass es in der Kommission zu dem Thema wohl „viele irreführende Informationen“ gebe.

Die EU selbst schätzt den Schaden, der durch Trockenheit entsteht auf zwei bis neun Milliarden Euro pro Jahr. 90 Prozent aller Naturkatastrophen hingen mit Wasser zusammen, heißt es. Weltweit seien 40 % der Menschen von Wasserknappheit betroffen.

Deshalb hat eine Koalition von sechs Umweltorganisationen schon im vorigen Herbst klare Zielsetzungen in der Wasserpolitik der EU gefordert: „Neue Dämme zu bauen und Auen trocken zu legen ist der falsche Weg“, sagt Paul Brotherton, Sprecher von Wetlands International Europe. „Wasser braucht freie Fließstrecken und Auenlandschaften, damit sie ihren Job machen können – als Filter, Rückhaltebereiche für Wasser und um Lebensraum für gefährdete Arten zu sichern.“

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