Amtsmissbrauchs-Prozess

Kopf gegen Asphalt geschlagen: Wiener Polizist freigesprochen

Der Vorfall ereignete sich in der Nähe eines Mord-Tatorts in Wien-Simmering. Der später zu Boden gerungene Passant hatte eine Polizeiabsperrung nicht beachtet.
Der Vorfall ereignete sich in der Nähe eines Mord-Tatorts in Wien-Simmering. Der später zu Boden gerungene Passant hatte eine Polizeiabsperrung nicht beachtet.APA/D. Mandl
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Ein Video des Vorfalls sorgte im Mai 2023 für Aufregung: Ein 19-jähriger Passant, der die Anweisungen der Polizei nicht befolgen wollte, wurde von mehreren Beamten zu Boden gerungen. Ein Polizist schlug den Kopf des 19-Jährigen gegen den Asphalt. Dieser Beamte wurde vom Vorwurf des Amtsmissbrauchs freigesprochen.

Ein Polizist ist Mittwochmittag im Wiener Landesgericht für Strafsachen vom Vorwurf des Amtsmissbrauchs freigesprochen worden. Der Beamte hatte am 7. Mai 2023 den Kopf eines 19-Jährigen zweimal gegen den Asphaltboden geschlagen. Ein Video des Vorfalls sorgte für Aufregung. Der Schöffensenat unter dem Vorsitz von Richter Mathias Funk sah beim Angeklagten keinen wissentlichen Befugnismissbrauch. Daher könne es keinen Amtsmissbrauch geben, so der Richter.

Und auch das Delikt „Körperverletzung“ sei nicht erfüllt. Denn: Das Tun des Polizisten sei im Rahmen der Amtshandlung gerechtfertigt gewesen. Das gerade noch „gerechtfertigte Ausmaß“ der Gewalt sei nicht überschritten worden, hieß es in der Urteilsbegründung.

Staatsanwältin entrüstet

Richter: „Der Angeklagte musste in zwei, drei Sekunden entscheiden.“ Dem Beamten sei es darum gegangen, die bereits ausgesprochene Festnahme des Mannes abzusichern. Der Passant, der sich zuvor der Anordnung der Polizei widersetzt und sich heftig gegen die Festnahme gewehrt hatte, hatte eine Rissquetschwunde an der Stirn davongetragen.

Der Freispruch ist nicht rechtskräftig. Staatsanwältin Anja Oberkofler legte dagegen sofort Nichtigkeitsbeschwerde ein. Damit nicht genug, kam es zu einer Szene, die wohl weiterhin für Diskussionen sorgen wird. Die Staatsanwältin sprang nach Verkündung des Freispruchs entrüstet auf und brachte einen Ablehnungs-Antrag gegen den Richter ein. Dieser sei offensichtlich befangen, meinte die Staatsanwältin. Denn: Er habe eine offenbar vorbereitete schriftliche Urteilsausfertigung verlesen.

Die Entscheidung sei daher nicht nach eingehender Beratung mit den Schöffen, sondern allein vom Berufsrichter getroffen worden, unterstellte Oberkofler dem Vorsitzenden. „Das Urteil wurde offensichtlich vorher geschrieben und abgelesen“, stellte die Staatsanwältin emotional fest.

Richter ignorierte Antrag

Was tat der Richter? Anstatt über den Antrag zu entscheiden – nach der Strafprozessordnung haben Richter selbst über einen gegen sie gestellten Ablehnungsantrag zu entscheiden – meinte er nur, die Staatsanwältin könne ja nicht wissen, ob er vielleicht mehrere Urteils-Varianten vorbereitet habe. Jedenfalls griff er den Antrag nicht weiter auf, entschied auch nicht darüber, sondern beendete die Verhandlung. Die „Presse“ erkundigte sich im Anschluss an die Verhandlung bei verschiedenen Juristen - einhellige Auffassung war: Dieses Verhalten des Richters stelle für sich allein genommen keinen Nichtigkeitsgrund dar. Die behauptete Befangenheit des Richters könne ohnedies am Wege der Nichtigkeitsbeschwerde an den OGH herangetragen werden. Zudem bestehe der Sinn eines Befangenheitsantrags darin, eine Entscheidung des Richters zu verhindern. Das Einbringen eines Befangenheitsantrags nach Urteilsverkündung laufe daher naturgemäß ins Leere.

„Völlig überschießend, exzessiv reagiert“

Die Anklage hatte dem 34-jährigen Angeklagten eben Amtsmissbrauch zur Last gelegt. Von einem „exzessiven, nicht gerechtfertigten Ausmaß“ an Gewalt zur bloßen Durchsetzung einer Identitätsfeststellung ist im Strafantrag die Rede. Wie Staatsanwältin Oberkofler beim Verhandlungsauftakt Ende Jänner ausführte, habe sich der Angeklagte auf den von anderen Polizisten bereits zu Boden gebrachten und fixierten jungen Mann gekniet und „aus der Emotion heraus völlig überschießend, exzessiv reagiert“, indem er den Kopf des Betroffenen „nicht ein Mal, sondern zweimal mit voller Wucht gegen den Asphalt gedonnert hat“.

Der 19-Jährige erlitt eine blutende Rissquetschwunde oberhalb des rechten Auges. Ein Puls24-Kameramann filmte die Szenen mit. Der TV-Sender machte das Video öffentlich, das in weiterer Folge viral ging. Ein weiteres Video wurde im Zug der Ermittlungen sichergestellt - ein Angestellter eines Imbiss-Lokals hatte die gewalttätigen Szenen mit seinem Handy gefilmt. „Film- und Tonaufnahmen sind in letzter Zeit in Verruf geraten. Im gegenständlichen Fall haben sie dazu geführt, dass nicht das Opfer von Polizeigewalt auf der Anklagebank sitzt, sondern ein nach Ansicht der Staatsanwaltschaft gewalttätiger Polizist“, hielt die Staatsanwältin dazu fest.

„Davon überzeugt, dass er das Richtige tut“

Für Verteidiger Klaus Heintzinger handelte sein Mandant „nicht exzessiv“. Dessen Agieren sei vielmehr „verhältnismäßig und gerechtfertigt“ gewesen: „Er war davon überzeugt, dass er das Richtige tut.“ Die Amtshandlung habe sich wenige Meter von einem Mordtatort entfernt abgespielt - ein Geldverleiher war auf der Simmeringer Hauptstraße erschossen worden -, den die Polizei abgesperrt hätte. Der 19-Jährige habe an der Absperrung mit einem Kollegen des Angeklagten gekämpft, weil dieser ihn nicht zu einem Bankomaten durchlassen wollte. Es sei zu einer Auseinandersetzung gekommen, der Angeklagte habe eingegriffen, weil der zu Boden gebrachte junge Mann nicht zu bändigen gewesen sei.

Wie der angeklagte Polizist in seinem Schlusswort betonte, habe er befürchtet, der 19-Jährige könne sich aus der Fixierung lösen, nach einer Schusswaffe greifen und damit ihn bzw. seine Kollegen erschießen: „In meinem Kopf ging es um einen Mordtatort mit Schusswaffe.“ Er habe daher verhindern müssen, dass der Mann „aufkommt“.

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