Justiz

Exkanzler vor Gericht: Von Kreisky bis Sinowatz

Mai 1993: Karl Blecha, Leopold Gratz und Fred Sinowatz als Angeklagte im Noricum-Prozess.
Mai 1993: Karl Blecha, Leopold Gratz und Fred Sinowatz als Angeklagte im Noricum-Prozess.Deutsch Gerhard
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Sebastian Kurz ist nicht der erste Altkanzler, der vor dem Strafrichter stand. Auch Fred Sinowatz und Bruno Kreisky waren schon an der Reihe. Ebenso nicht neu sind Falschaussage-Vorwürfe. Daher gilt: Alles schon da gewesen.

Ein früherer Regierungschef vor dem Strafrichter. Das mutet „unpassend“ an. Aber es kommt vor. Sebastian Kurz, zweimal Bundeskanzler der Republik Österreich (ÖVP, Amtszeiten von Dezember 2017 bis Mai 2019 und von Jänner 2020 bis Oktober 2021) ist nicht der einzige, der das erleben musste. Auch in den 1980-er- und 1990-er-Jahren gab es derartige Verfahren. Damals traf es die früheren SPÖ-Kanzler Bruno Kreisky und Fred Sinowatz.

Der Noricum-Prozess

Das bisher größte Gerichtsspektakel galt Sinowatz. Er musste sich ab März 1993 in Wien, übrigens im selben Gerichtssaal wie nun Sebastian Kurz, strafrechtlich verantworten. Und zwar im Noricum-Prozess. Namensgeberin dieser Verhandlung war die Kanonenschmiede „Noricum“, eine Voest-Tochter. Der konkrete Vorwurf: Sinowatz soll es unterlassen haben, die Genehmigung von Waffenlieferungen in den kriegführenden Iran rückgängig zu machen. Mitangeklagt waren Ex-Außenminister Leopold Gratz und Ex-Innenminister Karl Blecha (alle drei SPÖ). Der Staatsanwalt warf dem Trio Amtsmissbrauch und Neutralitätsgefährdung vor.

Am 24. Juni 1993 wurden die drei Ex-Politiker von diesen Hauptvorwürfen freigesprochen – Blecha kassierte aber einen Schuldspruch wegen Anstiftung zur falschen Beurkundung im Amt, Beweismittelfälschung und Urkundenunterdrückung, die Strafe: neun Monate bedingte Haft.

Die Waldheim-Affäre

Schon 1989 war Sinowatz (Kanzlerschaft 1983 bis 1986) vor Gericht gestanden. Und zwar wegen falscher Zeugenaussage im Rahmen der Waldheim-Affäre. Diese Causa trug dem Ex-Kanzler eine Geldstrafe in der Höhe von 360.000 Schilling (ca. 26.000 Euro) ein. Und das kam so: Sinowatz hatte im Ehrenbeleidigungsprozess gegen den Journalisten Alfred Worm ausgeschlossen, im Oktober 1985 vor dem burgenländischen SP-Vorstand von der „braunen Vergangenheit“ des damaligen ÖVP-Präsidentschaftskandidaten Kurt Waldheim gesprochen zu haben. Zuvor hatte Worm ebendies aufgedeckt.

Die Recherche hielt. Worm wurde im Ehrenbeleidigungsprozess freigesprochen. Dafür fiel der Lichtkegel nun auf Sinowatz. Gegen ihn wurden Falschaussage-Ermittlungen aufgenommen. Sinowatz blieb bei seinem Dementi. Doch die Ohrenzeugin Ottilie Matysek bestätigte unter Eid das Zitat von der „braunen Vergangenheit“, alle anderen 52 Mitwisser dementierten. Das Gericht glaubte Matysek. Damit war der oben erwähnte Schuldspruch unausweichlich. Der Kommentar des Ex-Kanzlers zur Waldheim-Affäre: „Ich stelle fest, dass Kurt Waldheim nie bei der SA war, sondern nur sein Pferd.“

Wiesenthal versus Kreisky

1989 stand auch Altkanzler Bruno Kreisky vor Gericht. Weil er den Publizisten und „Nazijäger“ Simon Wiesenthal als Gestapo-Informanten verunglipft hatte, wurde er wegen übler Nachrede zu einer bedingten Geldstrafe von 270.000 Euro (ca. 20.000 Euro) verurteilt.

Prozesse

Sinowatz. Der SPÖ-Altkanzler (er starb 2008) machte sogar zweimal Bekanntschaft mit dem Strafrichter. Einmal wurde er, wie Kurz, wegen Falschaussage verurteilt, einmal wurde er unter anderem vom Vorwurf des Amtsmissbrauchs freigesprochen.

Kreisky. Auch der vormalige SPÖ-Kanzler (verstorben 1990) musste eine Verurteilung hinnehmen. Und zwar wegen übler Nachrede im Rahmen eines Dauerzwists mit Simon Wiesenthal.

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