Bundeskongress

Die Grünen gehen mit Schilling in die EU-Wahl – und mit Sartre

Nach ihrer Wahl zur Listenersten am Parteitag schoss Lena Schilling mit Vertretern der grünen Jugendorganisationen ein Selfie.
Nach ihrer Wahl zur Listenersten am Parteitag schoss Lena Schilling mit Vertretern der grünen Jugendorganisationen ein Selfie. APA / Erwin Scheriau
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Die rund 260 Delegierten der Grünen bestätigten in Graz Lena Schilling als Spitzenkandidatin für die EU-Wahl. Parteichef Werner Kogler thematisierte Neutralitätspolitik und »Betonköpfe«.

Am Samstag erlebten die Grünen in Graz einen SPÖ-Moment, zumindest einen kleinen. Als die rund 260 Delegierten am Bundeskongress die 23-jährige Klimaaktivistin Lena Schilling als Spitzenkandidatin für die EU-Wahl bestätigen sollten, verlief das nicht ganz reibungslos. Die Delegierten hatten fernsehbedienungsähnliche Geräte in die Hand bekommen und sollten zunächst einmal die sehr grüne Testfrage beantworten, welche Tiere die besseren seien: Hunde, Katzen, Frösche, alle Tiere, oder „ungültig.“ Es funktionierte nicht.

Während daran gearbeitet wurde, hielt Schilling, die lang gezögert hatte, vom Aktivismus in die institutionalisierte Politik zu wechseln, ihre Rede. Es habe sie gewurmt, wenn sie von Journalisten gefragt worden sei, warum sie den Schritt vom Aktivismus in die Politik wage, begann sie. „Weil die Frage nicht stimmt. Wir als Klimaaktivisten haben Politik gemacht, nicht in Parlamenten, sondern auf der Straße.“ Nun wolle sie Klimapolitik eben im EU-Parlament machen. Die Grünen seien die einzige Partei, mit der sie das glaubhaft machen könne, begründete Schilling, die versprach, weiter „laut und goschert zu sein“, ihre Entscheidung.

»Wenn Kanzler Karl Nehammer in seinem Plan für Österreich das Mobilitätskapitel mit einer vierspurigen Autobahn bebildert, dann ist das scheiße zynisch.«

Lena Schilling

Dieses Versprechen löste sie dann auch gleich ein, als sie etwa verkündete: „Wenn Kanzler Karl Nehammer in seinem Plan für Österreich das Mobilitätskapitel mit einer vierspurigen Autobahn bebildert, dann ist das scheiße zynisch.“ Ihre Kandidatur sei „eine fürs Klima und gegen rechts“, fasste sie zusammen. Die Delegierten bestätigten sie schließlich mit 96,55 Prozent.

Bei der vergangenen EU-Wahl im Jahr 2019 war der amtierende Bundessprecher Werner Kogler selbst als Spitzenkandidat ins Rennen gegangen, hatte sein Mandat in Brüssel dann aber nicht angenommen. Die Grünen kamen bei der Wahl auf 14 Prozent, das entsprach drei Mandaten im europäischen Parlament. Bei einem ähnlichen Prozentsatz liegen sie aktuell in den Umfragen. Allerdings kandidiert nur Thomas Waitz, der bis Dezember noch Co-Vorsitzender der Europäischen Grünen ist, heuer wieder. Er wurde mit fast 97 Prozent zum Listen-Zweiten gewählt. Die prominente Quereinsteigerin Sarah Wiener und die langjährige Mandatarin Monika Vana ziehen sich zurück.

Gerangel um Platz Drei

Das führte nun am Samstag dazu, dass vor allem die Wahl für Platz drei auf der grünen Liste mit einiger Spannung erwartet worden war. Dafür kandidierten die oberösterreichische Integrationssprecherin, Ines Vukajlović, und die Wienerinnen Katrin Fallmann und Kati Schneeberger. Die Delegierten entschieden sich mit knapp 70 Prozent dafür, Vukajlović ins Rennen zu schicken. Auf dem weniger aussichtsreichen Platz vier landete ein bisher weniger bei den Grünen als bei Sportkennern bekanntes Gesicht: Der Präsident des American-Football-Verbandes, Michael Eschlböck.

Werner Kogler stellt Außenpolitik in Fokus

Weil die EU-Wahl aller Voraussicht nach zeitlich weit näher ist als die Nationalratswahl, stellte Kogler in seiner Ansprache die Außenpolitik vor die Innenpolitik. Heimat, das sei für ihn Graz, die Steiermark, Österreich, die wichtigste Heimat aber sei Europa, erklärte er, während er – das ist auf den grünen Bundeskongressen schon fast zum Running Gag geworden – auf der Bühne Kreise ging, freimütig von seiner vorbereiteten Rede abwich und die Zeit überzog.

»Nie war die europäische Einigung so bedroht wie jetzt.«

Werner Kogler

„Nie war die europäische Einigung so bedroht wie jetzt“, sagte er. Die Welt sei aus den Fugen, „ja eh“. Aber: „Dieser Hamlet, das war ein schöner Suderant.“ Man hätte ja nichts davon, wenn alles niederlamentiert werde, weil wir in Kriegs- und Krisenzeiten leben. Als Gegenangebot zu Hamlet zitierte der Parteichef Jean-Paul Sartre: „Es mag schönere Zeiten geben, aber diese ist die unsere.“

Dass der Bundeskongress mit dem Jahrestag des Angriffs Russlands auf die Ukraine zusammenfiel, nutzte Kogler, um festzustellen: „Nationalismus führt zu Krieg, das kann man gar nicht oft genug betonen.“ Wenn Putin aufhöre, dann sei dieser Krieg zu Ende. Wenn die Ukraine aufhöre, sei sie ausgelöscht. Neutralität heiße aber nicht, passiv danebenzustehen. Österreich müsse „das Maximale tun, was wir mit unserem Status können.“ Dann zog Kogler als Zeichen der Solidarität eine Ukraine-Fahne aus der Hosentasche und hängte sie sich um.

Seitenhieb gegen FPÖ-Chef Kickl

Nach dem Wechsel zur Innenpolitik sprach Kogler dann von den „blauen Brüdern Putins“, also der FPÖ. „Kommt Kickl, kommt Orbanistan, kommt Niedergang“, sagte er. „Verlässlich auf der falschen Seite“ stehe auch die Sozialdemokratie, wenn sie sich etwa für das Ende der CO2-Steuer ausspreche. Und die ÖVP, der Noch-Koalitionspartner? Die erwähnte Kogler nur ganz implizit. Er sprach davon, dass die Unternehmer oft weiter seien als die „Betonköpfe“ und die „reformresistenten Blockade-Elite“ in der Wirtschaftskammer. Die Causa prima des vergangenen Tages, der Schuldspruch gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), erwähnte er nicht.

Übrigens: Die elektronische Abstimmung über die EU-Kandidaten funktionierte schließlich auch beim dritten Versuch nicht. Man blieb bei der analogen Variante. Den Grünen war es aber wichtig, die Testfrage nach den besten Tieren trotzdem zu klären. Die Wahl fiel auf Katzen. Und Frösche.

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