Pestizide

Österreichs Gemüse und Obst besonders stark mit „Forever-Chemicals“ belastet

Pestizide enthalten auch Forever Chemicals (PFAS) - entweder als Wirkstoff, oder als Beistoff. PFAS sind sehr langlebig und können die Gesundheit gefährdet. Unklar sind außerdem die Folgen der Akkumulation verschiedener Substanzen im Körper.
Pestizide enthalten auch Forever Chemicals (PFAS) - entweder als Wirkstoff, oder als Beistoff. PFAS sind sehr langlebig und können die Gesundheit gefährdet. Unklar sind außerdem die Folgen der Akkumulation verschiedener Substanzen im Körper.Getty Images / Jean-francois Monier
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Das nächste Kapitel der Saga um die „Forever-Chemicals“ (PFAS): Diese Chemikalien werden auch über den Umweg von Pestiziden im menschlichen Körper aufgenommen. In einer europaweiten Auswertung schneidet Österreich schlecht ab; hier geht es vor allem Erdbeeren, Gurken und Äpfel betroffen.

Erst nach und nach wird die Tragweite des Einsatzes von PFAS bekannt. Die „Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen“ (mehrere 1000 chemische Verbindungen, die unter dem Kürzel „PFAS“ bekannt sind) gelangen auch über Pestizide in den menschlichen Körper. Die Substanzen werden wegen ihrer langen Lebensdauer als „Forever-Chemicals“ bezeichnet.

Geläufig ist der Einsatz von PFAS in vielen industriellen Prozessen, aber auch in Produkten für Letztverbraucher. Die Minderzahl der Anwendungsbereiche ist derzeit nicht ersetzbar, in den meisten Fällen wäre dies möglich bzw. ist der Einsatz von PFAS auch nicht unbedingt notwendig – etwa als Beschichtung auf Regenmänteln oder beim Skiwachs.

Bisher wenig bis gar nicht bekannt ist, dass PFAS auch über Pestizide in den Körper gelangen können. Die Pflanzenschutzmittel, die allein schon für sich unter Umweltmedizinern als sehr bedenklich betrachtet werden, enthalten auch PFAS – nicht alle, aber doch einige.

Umweltorganisationen – Global 2000 und das „Pesticides Action Network“ (PAN) – haben einen Bericht der europäischen Chemieagentur analysiert – anhand von Daten, welche die nationalen Überwachungsbehörden nach Brüssel zu melden hatten. Der Berichts-Zeitraum erstreckt sich über die Jahre 2011 bis 2021, in denen in der EU 47 PFAS-Pestizide zugelassen waren, in Österreich 33. Jahre nach dem Berichtsende sind nun, 2024, EU-weit 37 PFAS-Pestizide zugelassen, in Österreich nur noch 28.

Die Organisationen haben nun eine Auswertung erstellt, die Aufschluss darüber gibt, in welchen Konzentrationen diese PFAS in den einzelnen Ländern gemessen worden sind.

In Österreich wurden innerhalb dieser zehn Jahre fast 7.700 Proben gezogen, 4.096 bei Obst und 3.590 bei Gemüse. Insgesamt wurden bei allen Proben 25 unterschiedliche PFAS-Verbindungen entdeckt. Bei Obst waren in einer Probe maximal vier, bei Gemüse maximal drei unterschiedliche PFAS-Pestizide.

Über sämtliche Obst-Proben wurden in 16,7% PFAS-Konzentrationen entdeckt, bei Gemüse 8,3%. Am stärksten betroffen waren Erdbeeren, dann Gurken und Äpfel.

Starke Steigerung seit 2011

Die jüngsten verfügbaren Werte aus dem Jahr 2021 weisen einen Anteil der PFAS-haltigen Obst-Proben von 37,5 % auf – deutlich höher als im Jahr 2011, damals waren es 10,3 %. Noch deutlicher der Anstieg beim Gemüse von 0,8 auf 24,9%. Die PFAS-Belastung von im Inland angebautem Obst und Gemüse ist in Österreich mit einem Viertel aller Proben am dritthöchsten. Nur Belgien und Niederlande schnitten bei diesem Vergleich schlechter ab.

„Unsere Studie zeigt, dass europäische Konsumenten einem Cocktail von PFAS-Pestiziden in Obst und Gemüse ausgesetzt sind“, erklärt Salomé Roynel, Policy Officer bei PAN Europe und Studienkoordinatorin: „Wenn man sich die am häufigsten nachgewiesenen PFAS-Pestizide genauer ansieht, sind die Beweise für ihre Persistenz in der Umwelt und ihre Toxizität für den Menschen gut dokumentiert. Dazu zählen insbesondere Risiken für ungeborene Kinder, Hirnschäden, Beeinträchtigung des Immunsystems, hormonelle Störungen und Krebs.” Und Helmut Burtscher-Schaden, Umweltchemiker von Global 2000: „Unsere Ergebnisse geben Anlass zu ernster Sorge um die Umwelt und die menschliche Gesundheit.“

Ein Sprecher der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (Ages) meint zu dem Thema, dass es bereits längere Zeit einen Fokus auf PFAS gebe. Der richte sich derzeit aber weniger auf die PFAS-Pestizide. „Es ist so, dass bei der Begutachtung das Gefahrenpotential sowohl der Wirkstoffe, als auch von Beistoffen zusammen herangezogen werden.“ Die Beistoffe seien insgesamt aber ein großes Thema. In der Fachwelt heftig diskutiert werden allerdings Akkumulationen von Schadstoffen im Körper sowie Wechselwirkungen – über weite Strecken bleibt dies für die Wissenschaft noch eine blackbox.

EU-Politiker mit teils hohen PFAS-Werten

Erst im Jänner hat das Europäische Umweltbüro das Ergebnis von Tests veröffentlicht, zu denen sich neun EU-Politiker bzw. -Beamte bereit erklärt haben – unter anderem die Chefin der EU-Umweltagentur und der Umweltkommissar Virginujus Sinkevičius. Sie ließen sich Blut abnehmen und es auf PFAS testen. Tatsächlich wurden im Blut von allen Personen PFAS-Konzentrationen festgestellt. Die gemessenen Werte lagen zwischen 3,24 und 24,66 Mikrogramm, festgestellt wurden insgesamt sieben verschiedene PFAS-Verbindungen. Ursprünglich hatte sich die EU-Kommission die Reform des EU-Chemikalienrechts vorgenommen, allerdings wurde sie im Oktober 2022 abgeblasen. Die bevorstehenden PFAS-Regulierungen stehen unter heftigem Beschuss von Interessensverbännden und Lobby-Gruppen.

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