Horror-Show oder Evolution?

„Enhanced Games“: Die Spiele der Gedopten

James Magnussen will mitmachen bei den Enhanced Games.
James Magnussen will mitmachen bei den Enhanced Games.Reuters / Stefan Wermuth
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Eine Reihe Milliardäre um den Australier Aron Ping D‘Souza lässt mit einer grotesken Weltrekordjagd aufhorchen. In fünf Sparten werden Athleten mit Startgeldern gelockt, ein Weltrekord ist eine Million Dollar wert. Leistungssteigernde Drogen und Doping sind zentraler Bestandteil des Konzepts, das auch ein Geschäftspartner von Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz finanzieren will.

Es bedurfte eines zweiten Blickes, um die erhaltene Nachricht richtig zu verstehen: bei den für heuer anberaumten „Enhanced Games“ sollen Fabelweltrekorde in Serie fallen, weil diese Spiele ohne Doping-Vorgaben über die Bühne gehen. Wovor kritische Geister seit Jahren immer gewarnt haben, soll auf Wunsch des Australiers Aron Ping D‘Souza tatsächlich Wirklichkeit werden. Ob bloß eine Reihe wahnwitziger Milliardäre dahintersteckt, die Pharmaindustrie oder notorische Nörgler dann die fortlaufend vorgeschobene Heuchelei ausgeräumt sehen, das Gros der Sportwelt wendet sich vorerst pikiert von diesem Science-Fiction-Unterfangen ab.

Weil dieses Unternehmen weder neu noch absurd klang, fragte die „Presse“ umgehend bei Österreichs Anti-Doping-Agentur Nada nach. David Müller, Leiter für Information und Prävention, aber bestätigte, dass diese Vision real ist. Mit fünf Sportarten – Leichtathletik, Schwimmen, Gewichtheben, Gymnastik und Kampfsport – sollen diese „Versuche“ ihren Anfang nehmen, ein Ort wurde aus juristischen Gründen („Es gibt schließlich Anti-Doping-Gesetze“) noch nicht genannt.

Höher, weiter, besser?
Höher, weiter, besser?APA / AFP / Martin Bernetti

Diese „Horror-Show“ hat allerdings finanzkräftige Unterstützer, u. a. US-Milliardär Peter Thiel (Ex-Kanzler Sebastian Kurz ist „Global Strategist“ von Thiel Capital).

Dass manch Athlet sich den Start trotz aller Gesundheitsrisiken, Ächtungen und Sperren dennoch vorstellen kann, liegt an der Rekordprämie in Höhe von einer Million Dollar. „Das hat weder Maß noch Ziel, und wenn es wirklich beginnt, wird es nur solange laufen, bis der erste im Live-TV stirbt.“

Der Testosteron-Champion?

Wer kennt sie nicht, die Zweifel die bei einer Tour de France mitrollen oder die Skepsis beim 100-m-Weltrekord der Sprinter. Verdachtsmomente und Beispiele der Ertappten, etwa ein in flagranti erwischter ÖSV-Langläufer, gibt es sonder Zahl. Auch sind die Rufe derer, die die Freigabe aller Dopingmittel verlangten im Sinne des Sports, der Evolution und ja, der Fairness, keinesfalls neu. Dass es nun bei eigenen Spielen geschehen soll, mutet unglaublich an. Es wäre ein Schaulauf von Monstern, Müller lehnte diesen Begriff nicht ab.

Auf Kontrolleure wird dankend verzichtet.
Auf Kontrolleure wird dankend verzichtet.Imago

Ob Spitzensport per se gesund ist, sei dahingestellt. Doch, das sagt Müller entschieden, was ist mit Vorbildrollen, Abschreckung „und vorsätzlicher Gefährdung?“ Wären alle Verbote obsolet, könnte doch jeder alles nehmen, ungeachtet der Bedenken oder, selbst diesen Ansatz gilt es zu bedenken, in lebensgefährlichen Missbrauch eintauchen. Freilich, EPO, HgH, Steroide und Testosterone haben schon vielen Profisportlern leben wie Gesundheit geraubt, in diesem Fall aber wäre die letzte ethische Hürde beiseite gestellt.

Wer liest das Kleingedruckte?

Geht es nach den Initiatoren der „Erweiterten Spiele“, würde damit im Umkehrschluss jedoch „heuchlerischen, korrupten und dysfunktionalen System der Olympischen Spiele“ entgegengetreten. Ehe es augenblicklich klingt die Sinnhaftigkeit der Debatte um die Corona-Impfung, warf Müller ein, „dass ich noch von keinem Österreicher gehört habe, der da mitmachen würde. Und falls, würde er sich strafbar machen.“ D‘Souza poltert dafür umso lauter für die „Neuerfindung des Sports“, seiner finalen „Befreiung von anachronistischen Altsystemen.“

Und hoch die Hantel!
Und hoch die Hantel!APA / AFP / Javier Torres

Dazu, im Weltsport würde doch auch nach Rekorden verlangt werden, bei denen jedoch keiner genauer hinschaue und über das Kleingedruckte auf dem Beipackzettel berichte. Oder, Antrittsgeld zu bezahlen sei weder verwerflich noch verboten. Und, wer in Amerika sportbegeistert sei, aber auf Fairness poche, dürfe bei Footballern eigentlich gar nicht mehr zuschauen. Die würden nämlich auch nicht fortlaufend kontrolliert werden . . .

Manch Versuchskaninchen steht schon ante portas wie der dreimalige australische Schwimm-Olympiasieger James Magnussen. Er sei 32, habe den Karrierehöhepunkt hinter sich und angesichts der ausgelobten Millionen, berichtete er auf „X“, sehe er da keinerlei Widerspruch: „Ich muss weiter Geld verdienen, es ist Entertainment. und Cristiano Ronaldo spielt doch auch in Saudi-Arabien.“

Sind die Enhanced Games ein kopfloses Unterfangen?
Sind die Enhanced Games ein kopfloses Unterfangen?APA / AFP / Raul Arboleda

Jeder Starter muss folglich vor Wettkämpfen offenlegen, welche Mittel er einsetzt. Damit stehe fest, was und wie viel er eingesetzt habe, und das sei zweifelsohne „besser, als wenn sich die Sportler gepanschte Dopingmittel im Internet bestellen“, sagt Brett Fraser, Chief Athletes Officer der „Enhanced Games“, der NZZ. „Im Weltsport wird so oder so gedopt. Wir wollen nur nicht, dass Athleten Mittel im stillen Kämmerlein nehmen.“ Dazu, die meisten leistungssteigernden Substanzen seien ohnehin von Behörden zugelassen. Und die eigentliche Botschaft dahinter? Jeder ist seines eigen Glückes Schmied. Und wird dafür gebührend entlohnt, weil bei anderen Events, ob WM oder Olympia, stets nur die großen Verbände Milliarden verdienen.

Nur, muss man zwingend gedopt sein? Kann ein Nicht-Gedopter in diesem Schauspiel gewinnen? Was passiert, wenn?

(fin/dpa/apa)

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