Femizide

Gewalt an Frauen: „Es wird immer wieder Morde geben“

Schreien gegen Femizide war das Motto am Freitag am Minoritenplatz.
Schreien gegen Femizide war das Motto am Freitag am Minoritenplatz.APA/Fohringer
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Trotz des Aufschreis: Österreich gehe beim Gewaltschutz in die richtige Richtung, so Expertinnen der Gewaltschutzzentren. Viele Maßnahmen würden „erst in 20, 30 Jahren“ wirken.

Wien. Am Minoritenplatz ist die Wut groß. Minutenlanges Schreien, Pfeifgeräusche, Lärm durch das Aneinanderschlagen von Töpfen: So machten Teilnehmerinnen einer Demo vor dem Innen- und dem Frauenministerium ihrem Unmut über die jüngsten Tötungen von Frauen Luft. Der Österreichische Frauenring hatte, unterstützt von den Grünen Frauen Wien sowie dem SPÖ-Parlamentsklub, zum „Schreitag“ gegen Femizide aufgerufen, aus Protest gegen die sieben allein im Jahr 2024 getöteten Frauen in Österreich und vieler weiterer in den Jahren davor.

„Wir können und wollen diesen tiefsitzenden Frauenhass nicht mehr ertragen“, sagte Klaudia Frieben, Vorsitzende der Dachorganisation österreichischer Frauenvereine, und appellierte an die Regierung, „Männergewalt an Frauen und Femizide sofort zu stoppen“. Dafür nötig sei neben einer Gesamtstrategie auch ein Vielfaches der zur Verfügung stehenden Mittel, also mindestens 250 Millionen Euro pro Jahr, so der Frauenring.

„Großes Bemühen der Politik“

Schauplatzwechsel in ein Kaffeehaus wenige Straßen weiter. Auch dort ist man geknickt: „Wir fühlen uns mitverantwortlich“, sagt Marina Sorgo, Vorsitzende des Verbands der Österreichischen Gewaltschutzzentren, bei einer Pressekonferenz. Doch anders als die Frauen auf dem Minoritenplatz fordert sie nicht mehr Geld. Für die Arbeit der Regierung hat Sorgo lobende Worte. „Es gibt ein großes Bemühen in der Politik, bei allen Behörden.“

Man sei gegen Schnellschüsse. „Wenn wir die Lösung hätten, würden wir alles tun, um das umzusetzen“, so Sorgo. Doch die eine Lösung, um Femizide zu verhindern, gebe es nicht, es brauche einen ganzen Teppich an Maßnahmen. Deswegen begrüße sie auch die am Donnerstag nach dem Gewaltschutzgipfel von Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) angekündigte bessere Vernetzung und Koordinierung aller Einrichtungen. „Dann können wir sehen, wo es noch Lücken in dem Teppich gibt“, sagte die Leiterin des Wiener Gewaltschutzzentrums, Nicole Krejci. Man werde jedenfalls „dranbleiben“ und überprüfen, ob das Versprochene zeitnah und langfristig umgesetzt würde, „auch nach den Wahlen“.

Rechtliche Lücken

Lücken orteten die Expertinnen jedenfalls im rechtlichen Rahmen. Sie forderten etwa, dass bei Gefährdern, die bereits eine verpflichtende Gewaltpräventionsberatung absolviert haben, eine weitere angeordnet werden kann. Dies sei derzeit Gerichten nicht möglich. Zudem müsse eine verpflichtende Beratung im Rahmen einer einstweiligen Verfügung auch bei Stalking möglich werden, nicht nur in Fällen von häuslicher Gewalt.

Ein weiteres Problem sahen die Expertinnen darin, dass viele Hilfsangebote noch nicht bei den Betroffenen ankämen. „Wir wissen, dass ein Großteil der ermordeten Frauen der letzten Jahre nicht den Weg zur Polizei oder zu Opferschutzeinrichtungen nehmen konnten“, so Sorgo. Jedes Mal wieder stelle man sich die Frage, wie die Angebote noch „sichtbarer, niederschwelliger und vertrauensvoller“ werden können.

Spricht die Polizei gegen einen Täter ein Betretungsverbot aus, wird das Opfer automatisch vom Gewaltschutzzentrum kontaktiert. Die Zahl der dort beratenen Personen stieg zuletzt, von 22.039 im Jahr 2021 auf 24.330 Personen im Vorjahr, 79 Prozent davon weiblich.

Wirkung erst in 30 Jahren

Neben akutem Gewaltschutz müsse Prävention auf vielen Ebenen ansetzen: bei der Bildung, im Sozialbereich, bei der Behandlung von psychischen Erkrankungen, sagte Krejci. „Wir müssen den Menschen ganzheitlich betrachten.“ Zudem man müsse sich im Klaren sein, dass viele Präventionsmaßnahmen, die in den letzten Jahren gesetzt wurden, „erst in 20, 30 Jahren ihre Wirkung zeigen werden“.

Das Problem ganz zu eliminieren, werde dennoch nicht gelingen, glaubt Sorgo: „Es wird immer wieder Morde geben, die wir nicht werden verhindern können.“ Nichtsdestotrotz funktioniere vieles in Österreich bereits sehr gut. In Österreich gebe es statistisch mehr getötete Frauen als getötete Männer, weil Österreich prinzipiell sehr sicher sei. „Österreich als Land der Frauenmorde hinzustellen, das stimmt nicht.“

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