Vorwürfe

Nach TV-Doku über Machtmissbrauch: Pölsler will Gespräche suchen

Der österreichischer Regisseur Julian Pölsler äußert sich zur NDR-Doku.
Der österreichischer Regisseur Julian Pölsler äußert sich zur NDR-Doku. APA/Georg Hochmuth
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Der österreichische Regisseur räumt in „sehr lange“ zurückliegenden Produktionen teilweise Fehler ein. Einzelne Vorwürfe weist er zurück.

Vergangene Woche veröffentlichten der Norddeutsche Rundfunk (NDR) die Doku „Gegen das Schweigen“. Darin hatten Menschen aus der Film- und Theaterbranche über Machtmissbrauch und Übergriffe berichtet. Nun hat sich der österreichische Regisseur Julian Pölsler zu Wort gemeldet. Er ist neben Paulus Manker, der am Montagabend Studiogast im ORF-„Kulturmontag“ ist, einer von zwei österreichischen Regisseuren, gegen die namentlich Vorwürfe erhoben worden waren.

Nach Sichtung der Doku verweist Pölsler in einem der Nachrichtenagentur APA vorliegenden Statement zunächst auf den „zeitlichen Aspekt“, wonach die gegen ihn vorgebrachten Vorwürfe „sehr lange zurück“ liegen würden, teilweise mehr als 15 bzw. 20 Jahre. Er habe „naturgemäß keine genaue Erinnerung mehr daran, was wann, wo und wie geschehen ist“. Dies bedeute aber nicht, „dass ich mich einer Auseinandersetzung und Aufarbeitung der Vorwürfe entziehen will. Ganz im Gegenteil“, so der 70-jährige Regisseur, der etwa durch seine „Polt“-Filme bekannt ist.

„Ich möchte prinzipiell festhalten, dass ich bei allen meinen Filmen im Ringen um die höchste Qualität meiner Filme am Drehort in manchen Situationen sicherlich in der Vergangenheit mitunter zu heftig, zu emotional und zu laut gegenüber manchen SchauspielerInnen und Teammitgliedern reagiert habe“, räumt Pölsler ein. Er unterstreicht jedoch, dass er danach meistens das Gespräch gesucht und sein Bedauern zum Ausdruck gebracht habe. Zugleich bedauert er, dass weitere Schauspieler und Schauspielerinnen diesbezüglich nicht mit ihm gesprochen hätten, dies nun aber in der Dokumentation getan haben. Auch mit ihnen wolle er nun das Gespräch suchen und die Geschehnisse aufarbeiten sowie sich entschuldigen.

Vorkommnisse in „seiner Villa“

Auch geht Pölsler auf konkrete Vorwürfe ein, etwa die Beschwerde einer Schauspielerin in Bezug auf seine Art der Regieführung. Mit ihr habe er bereits damals gesprochen und im Anschluss abermals gedreht: „Bei unserem gemeinsamen zweiten Dreh habe ich eine andere Regieführung gewählt und dieser Dreh ist ohne Schwierigkeiten harmonisch verlaufen und sie hat ihre Rolle sehr gut gespielt. Ich habe ihr das auch ausdrücklich gesagt und mit ihr ein Gespräch vereinbart, in dem wir über eine weitere Zusammenarbeit auf Basis dieser friktionsfreien Art und Weise der Dreharbeit sprechen werden“, sagt der Regisseur. „Leider hat sie dies in der Dokumentation nicht erwähnt.“ Auch mit ihr wolle er nun erneut das Gespräch suchen.

Besonders wichtig sei es ihm festzuhalten, dass es bei keinem der in der Dokumentation vorgebrachten Fälle zu einem sexuellen Übergriff gekommen sei. In Bezug auf die Berichte über Vorkommnisse in „seiner Villa“ im Ausseerland hält er fest, dass er dort keine Villa besitze und es in dem für die Produktion angemieteten Landhaus niemals dazu gekommen sei, dass er ein Zimmer von Schauspielern betreten habe oder diese in sein Zimmer gekommen seien. „Es ist ja bei Dreharbeiten Usus, dass Schauspielerinnen, Schauspieler und Teammitglieder, wenn möglich, unter ein und demselben Dach untergebracht werden“, so Pölsler. „Den Bericht jener Person, die mich bezichtigt, mich vor mehr als zwanzig Jahren aus einem Machtverhältnis heraus ihr gegenüber sexuell übergriffig verhalten zu haben, weise ich zurück.“ Ihr Besuch sei „rein privater Natur“ gewesen, es habe „keinen Zusammenhang mit einem Machtmissbrauch meinerseits“ gegeben.

Keine überraschenden „Nacktcastings“

Auch verwehrt sich Pölsler gegen den in der Doku erweckten Eindruck, es hätten „Nacktcastings“ in seiner Wohnung stattgefunden: „Die in der Dokumentation hintangestellte Erklärung, es handle sich dabei um einen Kollegen, der aber anonym bleiben soll, halte ich für einen manipulatorischen Versuch, mich zu diskreditieren.“ Zudem habe er „niemals eine junge Schauspielerin zum Casting bestellt, die sich dann überraschenderweise nackt ausziehen musste“. Die Anforderungen würden immer im Vorhinein kommuniziert. „Im konkreten Fall wussten die zum Casting eingeladenen Schauspielerinnen genau, dass es sich um eine Nacktszene im Film handelt und es dafür notwendig ist, das Casting nackt durchzuführen.“

Zum Vorwurf, er hätte sich bei einem Casting für eine Vergewaltigungsszene übergriffig verhalten, hält Pölsler fest: „Ich habe zu keiner Zeit alleine mit den Schauspielerinnen und dem Schauspieler gearbeitet“, es seien immer mehrere Personen anwesend gewesen. „Ich sehe ein, dass es, nach den heutzutage geltenden Standards, falsch war, in dieses Casting persönlich einzugreifen, um dem männlichen Schauspieler zu zeigen, wie er die Brutalität, die diese Szene von den Darstellerinnen und dem Darsteller erfordert, gestalten muss.“ Das betreffende Casting habe vor mehr als sieben Jahren stattgefunden, „damals galten in der gesamten Filmbranche noch andere Usancen.“ Heute würde er „nach Kenntnis der geltenden Standards keine persönliche Demonstration mehr vornehmen, sondern der Casterin diese Aufgabe übertragen“. Auch hier will Pölsler das Gespräch mit allen damals anwesenden Teilnehmern suchen.

Änderungen der Standards

„Ich möchte allgemein darauf hinweisen, dass sich in der Filmbranche die Standards seit dem Auftauchen der ,Me Too‘-Bewegung in den Vereinigten Staaten wesentlich geändert haben und ich diesen Veränderungen auch Rechnung trage“, so der Regisseur, der darauf verweist, dass sich seine Arbeitsweise und Sensibilität diesbezüglich „laufend ändern“ würden. Daher habe er auch ein Gespräch mit der Leiterin der „we do“-Plattform gesucht und geführt und sie habe ihn auf die Veränderungen und die jetzt geltenden Regelungen hingewiesen.

Bei Dreharbeiten gebe es nunmehr sowohl interne als auch externe Vertrauenspersonen, an die sich Betroffene jederzeit wenden könnten. Pölsler habe sich auch dafür eingesetzt, eine Intimitätskoordinatorin (Intimacy Coordination) vor Ort zu haben. Solche Begleitmaßnahmen halte er „für hilfreich und notwendig, um auch nur den Anschein von Übergriffen jedweder Art zu verhindern, aber auch um etwaige Anschuldigungen abzuwenden“. Castings mit Schauspielerinnen würden künftig nur mehr von seiner Casterin und seiner Assistentin vorgenommen werden, er selbst werde nur mehr Castings mit männlichen Schauspielern leiten. „Ich sehe mich als Teil dieser Branche im Wandel an und bin auch gerne bereit hier mitzuwirken, dass diese und alle Filmschaffenden keinen Schaden erleiden.“ (APA)

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