Ausstellung

Wo stünden wir, ohne die Künstlerinnen, die vor uns kamen?

Christiana Perschon
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In der Ausstellung „Auf den Schultern von Riesinnen“ beschäftigen sich Gegenwartskünstlerinnen mit ihren Ahninnen.

Florentina Pakosta sitzt in ihrem Atelier und hält eine Maske mit kreisrunden blauen Augen, roten Backen und Nase vor ihr Gesicht. An die Kamera gewandt, erzählt sie von ihren Anfängen als Künstlerin: „Das war eigentlich ein Schminktisch. Ich bin vor diesem Tisch gesessen und hab’ mich gefragt, soll ich das Gesicht bemalen oder das Papier, das ich vor mir hab’? Ich hab’ mich für das Papier entschieden.“ Die Wienerin Pakosta ist eine renommierte feministische Künstlerin, man will sagen: eine Größe – oder vielleicht sogar eine Riesin? So bezeichnet sie zumindest das Künstlerhaus Wien.

Christiana Perschon fertigt filmische Kurzpor­träts von Künstlerinnen wie Florentina Pakosta.
Christiana Perschon fertigt filmische Kurzpor­träts von Künstlerinnen wie Florentina Pakosta.Christiana Perschon

Dort widmen sich nämlich ab 9. März im Rahmen der Ausstellung „Auf den Schulter von Riesinnen“ gegenwärtige Künstlerinnen dem Werk ihrer Vorgängerinnen. So porträtiert die junge Videokünstlerin Christiana Perschon in ihrem Filmzyklus ebenjene übergroße Floren­tina Pakosta genauso wie Isolde Maria Joham in ihren jeweiligen Ateliers. Pakosta spricht viel über ihr Selbstbild, das sich im Film über diverse Spiegel bricht. „Das Selbstbildnis zeichnen war mir wichtig, weil es hat mir bestätigt, ich bin da und hab’ etwas zu sagen. Egal, ob das gehört wird oder nicht, aber es ist ein Beweis einer Existenz“, reflektiert sie vor laufender Kamera. Aus dem Off hört man immer wieder die Stimme von Videokünstlerin Christiana Perschon, die mit der Künstlerin witzelt. Es ist eine der 14 Positionen, die im Künstlerhaus ausgestellt sein werden. „Ich sehe, dass es ein Bedürfnis gibt, sich mit Vorgängerinnen zu befassen, weil es doch sehr viele Leerstellen und Lücken zu Werken kreativer Frauen gibt. Und was die Kunst besonders gut kann, ist dort, wo es Lücken in der Geschichte gibt, etwas hineinzuimaginieren“, sagt Kuratorin Nina Schedlmayer.

Ein neuer Kanon

Seit 2018 betreibt die Kunstkritikerin den Blog Artemisia.blog, der sich mit Kunst und Feminismus beschäfigt und auch immer wieder aufzeigt, wenn etwa Ausstellungen in großen Wiener Häusern weibliche Positionen auslassen. „Wir sind mittlerweile auf einem Stand, wo das Schaffen von kreativen Frauen nicht mehr in diesem Ausmaß verschüttet ist wie einst, nun geht es darum, dieses Vermächtnis künstlerisch aufzuarbeiten und es nachfolgenden Künstlerinnen­generationen zur Disposition zu stellen“, sagt Schedl­mayer über die Gruppenschau im Künstlerhaus.

Anna Meyer erzählt die Kunstgeschichte nicht anhand männlicher Stars, sondern macht sie an Themen fest.
Anna Meyer erzählt die Kunstgeschichte nicht anhand männlicher Stars, sondern macht sie an Themen fest.Anna Meyer

Die Arbeiten setzen sich entweder mit dem Archiv aus­einander, spüren dem Werk und Leben einzelner Künstlerinnen nach, setzen sich selbst und ihr Schaffen dazu in Relation oder versuchen den Kanon neu zu denken. So positioniert Anna Meyer mit ihrer Arbeit „Future­feminismus (Wir lebten in 100 Jahren)“ weibliches und queeres Schaffen neu. Auf Plexiglasscheiben, die als Installation von der Decke hängen, stellt sie ikonische Werke der Kunstgeschichte einander gegenüber, fasst sie in thematischen Clustern zusammen. So findet unter dem Titel „Me Too“ Artemisia Gentileschi nebst Sophia Süßmilch sowie Frida Kahlo Platz, und Joseph Beuys’„Fettecke“ schmiegt sich an jene von Jakob Lena Knebl. „Natürlich kann man die Kunstgeschichte erzählen anhand von männlichen Stars“, sagt Nina Schedl­mayer. „Als ich in den 90ern Kunstgeschichte studiert habe, waren Frauen im Kanon inexistent. Mittlerweile gibt es Gegenerzählungen, die diesen erweitern – wie etwa 2022 Katy Hessel mit ihrem Buch ‚The Story of Art Without Men‘ bewies.“

Bettina Beranek rückt Selbstpor­träts früherer Künstlerinnen etwa durch Verpixelung in die Ferne.
Bettina Beranek rückt Selbstpor­träts früherer Künstlerinnen etwa durch Verpixelung in die Ferne.

Dieses Ausradieren, Verschwinden und Verschütten weiblicher Autorinnenschaft thematisiert auch Bettina Beranek in ihrer Serie „Schichtwechsel“. Dafür hat sie Selbstporträts von Malerinnen herangezogen und beinahe bis zur Unkenntlichkeit bearbeitet, unscharf gestellt, sie verpixelt. So wirken die Werke in die Ferne gerückt, dem Blick des Besuchers entzogen. Das wirkt noch einmal stärker, ist doch gerade das Selbstporträt als Genre jene Spielweise, in der sich die Künstlerin und der Künstler selbst manifestiert und als Person an die Öffentlichkeit tritt. Die Schau im Künstlerhaus rückt jedenfalls in der Vergangenheit zu oft Übersehenes in den Fokus. „Immerhin profitieren Künstlerinnen heute von Vorgängerinnen, die sich gegen Barrieren zu Wehr gesetzt haben, die man sich heute kaum noch vorstellen kann“, sagt Schedlmayer. Die Vorfreude fällt erwartungsgemäß mächtig, nein, natürlich riesig aus.

Info

„Auf den Schultern von Riesinnen“. Die Ausstellung über Künstlerinnen und jene, die ihnen den Weg ebneten, eröffnet am 9. 3. im Künstlerhaus. kuenstlerhaus.at

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