Atomkraft

Uran: Europa und USA sind von Russland abhängig

Das tschechische Atomkraftwerk Temelín – eines der AKW, dessen Brennstäbelieferung von russischen Firmen abhängt.
Das tschechische Atomkraftwerk Temelín – eines der AKW, dessen Brennstäbelieferung von russischen Firmen abhängt. Reuters
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Die Atomkraft in Europa und den USA ist in hohem Ausmaß von Russland abhängig. Und bleibt es auch. Dies bestätigt eine Studie, die nun veröffentlicht worden ist.

Am 7. April 2023 hat die Europäische Kommission ein vollständiges Embargo russischer Lieferungen unter anderem von Nuklearbrennstoffen beschlossen. Heute, fast zwei Jahre später, zeigt sich, dass dieser Beschluss so gut wie ohne Folgen geblieben ist.

Die Abhängigkeit der EU ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die tschechische Republik, die Slowakei, Ungarn und Bulgarien Kernkraftwerke sowjetischer Bauart betreiben. Es gibt WWER-1000- und WWER-440-Reaktoren. Für die Lieferung der Brennstäbe existieren langfristige Lieferverträge mit Tvel, einer Tochter von Rosatom. Dieser russische Atomkonzern ist aus der Ausgliederung des russischen Atomministeriums entstanden und der größte Player im Atombusiness. Hier sind 275.000 Menschen beschäftigt, etwa 90.000 von ihnen im Kernwaffenkomplex.

Für die größeren Reaktoren hat es viele Jahre keinen brauchbaren Ersatz geben: Die vom US-Hersteller Westinghouse gelieferten Brennstäbe haben sich Anfang der 2000er-Jahr als ungeeignet herausgestellt. Mittlerweile sind diese technischen Probleme bereinigt, trotzdem verbindet die Lieferkette nach wie vor überwiegend Russland und die östlichen EU-Mitgliedsländer.

„Eindeutige Aussagen, unveränderte Praxis“

Patricia Lorenz, Atomkraftexpertin bei Friends of the Earth in Brüssel, hat in ihrem Bericht „Russian Grip on EU Nuclear Power“ zusammengestellt, wie wenig sich an diesen Abhängigkeiten geändert habe. „Trotz eindeutiger Aussagen von Betreibern und Politikern“, dass die Abhängigkeit von russischen Brennstäben verringert werde, habe sich an der tatsächlichen Praxis nichts geändert. Der Bericht, der von der Wiener Umweltanwaltschaft in Auftrag gegeben worden ist, zitiert etwa die tschechische Atomaufsichtsbehörde, dass Westinghouse und der französische Atomkonzern Framatome Brennstoffe liefern könnten, bisher aber kein diesbezügliches Genehmigungsansuchen vorliege. Beim Betreiber der tschechischen Atomkraftwerke heißt es dazu, dass „Framatome-Lieferungen 2025 erwartet werden“.

In der Slowakei habe der neue Wirtschaftsminister erklärt, dass der Umstieg auf nicht russische Brennstäbe fortgeführt werde, andererseits heißt es bei der slowakischen AKW-Betreiberfirma (die im Staatseigentum steht) dass ein Vertrag mit der Rosatom-Tochter Tvel bestehe, der bis 2026 läuft und eine Option zur Verlängerung bis 2030 enthält.

Ungarn hat keinerlei Absicht, aus dem Vertrag mit und aus den Lieferungen von Tvel auszusteigen. Außerdem plant Ungarn das Atomkraftwerk Paks zu erweitern und dies gemeinsam mit Rosatom durchzuziehen. Derzeit hängt das Projekt allerdings an den mangelnden Finanzen.

In Bulgarien gibt es zwar Bemühungen umzusteigen, allerdings ist der Einigung zwischen Framatome und den bulgarischen Betreibern bisher keine Lieferung gefolgt – konkret vereinbart (aber nicht umgesetzt) ist dies ohnehin nur für einen der beiden Reaktoren im AKW Kozloduy.

Joint Venture mit Rosatom in Deutschland?

Die französische Atomfirma hat ein doppeltes Problem: Einerseits ist der Zugang für Frankreich zu den Uranvorräten in Niger so gut wie gekappt, nachdem in dem afrikanischen Staat in der Sahelzone die Regierung gestürzt und das Militär die Macht übernommen hat.

Und außerdem gibt es seit mehr als einem Jahr keinerlei Bewegung bei der Genehmigung eines Joint-Venture zwischen Rosatom und Framatome: Geplant ist, eine bestehende Aufbereitungsanlage in Lingen, Niedersachsen, auszuweiten und unter anderem Brennstäbe in Lizenz zu erzeugen, um die WWER-Reaktoren mit Brennstäben beliefern zu können. Nach einem öffentlichen Verfahren, das in der vorigen Woche zu Ende gegangen ist, hat nun zunächst das Land Niedersachsen das Sagen. Klar ist aber, das Verfahren wird sicher nicht schnell über die Bühne gehen. Für die Atomkraftwerke in Bulgarien, Ungarn, der Slowakei und der tschechischen Republik wird die Abhängigkeit nicht so schnell zu Ende gehen.

Der Bericht arbeitet außerdem weitere Abhängigkeiten heraus: So ist ein weiterer Rosatom-Ableger beim Bau von Abkühlbecken sowie Atomzwischenlagern und bei Dekommissionierungsprojekten in mehreren Ländern aktiv, unter anderem in Frankreich und in Deutschland.

USA: Aus Kostengründen Importe

Unverändert zugespitzt ist auch die Situation in den USA. Hier geht es um die Lieferung von Uran, nachdem die Preise in den USA in die Höhe gegangen sind. Mehr als 90 Prozent des Urans wird importiert, die US Energy Information Administration (eine Bundesbehörde, die nach der Energiekrise 1973 gegründet worden ist) meldet, dass 14% des Urans aus Russland stammen und 35% aus Kasachstan, zusammen also fast die Hälfte des Bedarfs. In Kasachstan stehen einige Uranminen im Eigentum des Rosatom-Konzerns. Die Zahlen stammen aus dem Jahr 2021, neuere werden im Juni 2024 veröffentlicht.

Und schließlich gibt es noch Uranium One in Kanada, das ebenfalls unter dem Dach von Rosatom agiert. Uranium One besitzt Uranminen in Kasachstan, Namibia und Tansania – bis 2021 auch in den USA – und ist außerdem auf dem italienischen Markt für Biotreibstoffe und beim Lithiumabbau in Bolivien und Argentinien präsent.

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