Vintageboom

Sie werden immer mehr: die Geschäfte für Secondhandmode

Hier gibt es Vintage, aber auch Kunst und mehr: Miri Marijanovic, Co-Inhaberin von Uppers and Downers, im neuen Concept Superstore in der Kirchengasse.
Hier gibt es Vintage, aber auch Kunst und mehr: Miri Marijanovic, Co-Inhaberin von Uppers and Downers, im neuen Concept Superstore in der Kirchengasse. Caio Kauffmann
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Einen Riesenschub haben die Vintageläden durch das Klimathema bekommen. Und die Entwicklung ist noch lang nicht am Ende.

Das Geschäft verströmt einen gewissen, reduzierten Chic: am Boden ein schwarz-weißes geometrisches Muster, auf den Kleiderstangen nach Farben geordnete Jeans, sommerliche Tops in Pfirsichtönen, Lederjacken oder eine cremefarbene Lodenweste aus österreichischer Produktion, weiter vorn edlere Seidenblusen und einzelne Designerstücke, dazu ausgewählte Kosmetik und Werke einer Textilkünstlerin.

Auf mehr als 200 Quadratmetern findet man im neuen Concept Superstore von Uppers & Downers Vintagemode und allerhand mehr. Das Geschäft in der Kirchengasse ist keine zwei Monate alt – und längst nicht die einzige neue Location für Secondhandmode in Wien. Besonders im siebenten Bezirk ist die Dichte an Vintagegeschäften extrem hoch, zuletzt etwa dazugekommen: Der EPD Market startete Ende vergangenen Jahres in einem ehemaligen türkischen Supermarkt in der Neubaugasse, seit wenigen Monaten verkauft Bender Vintage – zuvor zwischenzeitlich als Pop-up am Naschmarkt – ausgewählte Stücke in der Lerchenfelder Straße: Samtjäckchen, Jeanshemden, Kimonos.

Wie viele Shops es insgesamt gibt, in denen man gebrauchte – oder, wie es inzwischen gern genannt wird: pre-loved – Kleidung erstehen kann, kann keiner offiziell sagen. Im Netz findet man mittlerweile jedenfalls knapp hundert solche Geschäfte – auch in anderen Gegenden der Stadt: Holy Garbage mitten auf der bürgerlichen Währinger Straße zum Beispiel, die Zahl der Humana-Filialen ist in den vergangenen fünf Jahren um sechs Standorte auf 19 gestiegen, es gibt exklusive Pop-ups wie aktuell im ehemaligen Hallhuber-Store in der SCS. Und das Carla-Pop-up, das seit knapp einem Jahr in der Mariahilfer Straße angesiedelt ist und eigentlich nur bis Ende März geplant war, hat, wie die „Presse am Sonntag“ erfahren hat, gerade verlängert – zumindest bis Ende Juli, also: Auch das scheint sich bewährt zu haben.

Blick über den großen Teich

„Bei dem Modehandelthema muss man über den großen Teich schauen, damit man sieht, was ein paar Jahre später in Europa kommen wird“, sagt die Nachhaltigkeitsexpertin Nunu Kaller, die sich intensiv mit dem Thema Mode befasst. „Als ich vor fünf Jahren das letzte Mal in New York war, sind damals die Secondhandshops wie die Schwammerln aus dem Boden geschossen. Da hab ich mir gedacht: ,Das kommt bei uns auch.‘ Und das ist jetzt auch tatsächlich eingetreten.“ Ein großer Boost, natürlich: die Klimabewegung. „Secondhandmode ist entstigmatisiert worden, auch durch diesen Umweltaspekt, die Käufergruppe hat sich verändert, es ist Trend“, sagt Kaller. Und: Auch die Geschäfte haben sich verändert: „Aus manchen hat es einen früher vom Geruch her wieder rausgehaut.“ Heute sind viele der Läden schön gestylt, die Kleidung wird ansprechend präsentiert.

Der EPD Store an der Ecke Neubaugasse/Burggasse kommt ziemlich clean daher, er hat fast ein bisschen Supermarktcharakter, angelehnt an die frühere Bestimmung des Geschäftslokals. „Unsere Kundschaft ist vor allem jung, aber ich sehe auch öfter ältere Menschen, die bei uns jetzt ihren ersten Vintagekauf machen und die in die Szene reinkommen, deswegen glaube ich, es gibt noch viel mehr Potenzial“, sagt Gründerin Alexandra Vaduva. Als Trend will sie Vintage übrigens nicht bezeichnen, vielmehr als eine Entwicklung: „Wir sollten diese Läden einfach als ganz normale Bekleidungsgeschäfte sehen, die eben Gewand verkaufen, aber in einer nachhaltigen Art.“

Was hier sicher hilft: ein entsprechender Standort. In anderen Städten ist es durchaus schon Usus, dass Geschäfte für gebrauchte Kleidung gleichwertig neben H&M, Zara und Co. angesiedelt sind. „Tatsächlich ist es zum Beispiel in Stockholm und Oslo so, dass sich Secondhand- bzw. Vintageläden neben großen Ketten finden“, sagt Heidelinde Koisser-Gruber, stellvertretende Leiterin des Carla-Pop-up. Das ergebe dort in den Geschäften ein extrem heterogenes Bild an Kundschaft, Menschen in formaler Kleidung, Touristen, junges Publikum. „Das wäre für Wien eine durchaus nette Vision.“ Und gar nicht so weit entfernt, wie man glauben möchte: Immerhin gibt es 200 Meter vom Carla-Pop-up mitten auf der Mariahilfer Straße inzwischen auch die Vintage Fabrik.

Getrennte Sammlung von Alttextilien

Nachhaltigkeitsexpertin Kaller erwartet, dass sich in punkto Secondhandmode noch viel tun wird – besonders auch im kommenden Jahr: Ab 2025 ist nämlich die getrennte Sammlung von Alttextilien in der EU verpflichtend, altes Gewand wird so gesammelt wie Altglas, Plastik oder Dosen. „Das wird recht spannend“, sagt Kaller. Nicht nur, weil sich die Frage stellt, wer wie viel dieser Sammlung letztlich übernimmt, der Bund, karitative Organisationen. „Dadurch wird auch klar, dass Alttextilien nicht in den Restmüll gehören. Damit wird sich bestimmt ein anderes Bewusstsein entwickeln, was die Frage angeht, was man mit abgelegter Kleidung machen kann.“

Unter anderem könnte man sie weiterverkaufen über sogenannte Consignment Stores, die die Stücke in Kommission nehmen. Sofern ein Kleidungsstück verkauft wird, bekommt der frühere Besitzer einen Anteil davon. Ein Secondhandgeschäft, das in Wien bereits seit einigen Jahren so funktioniert, ist Zweitkleid7 in der Westbahnstraße, mit Fokus auf namhafte Marken, Designerstücke und vereinzelt auch klassische Vintageteile aus den vergangenen Jahrzehnten. „Derzeit fehlen mir mehr solcher Geschäfte noch“, sagt Kaller. „Aber da wird sich auch noch etwas entwickeln.“

Vintage

Uppers and Downers, betrieben von einem Dreierteam aus Miri Marijanovic, Clemens Steinmüller und Dzenana Mujadzic, hat im Jänner in der Kirchengasse 43 als zweitem Standort seinen Concept Superstore eröffnet. Zusätzlich zu Vintagemode gibt es hier etwa auch ausgewählte Kosmetik, außerdem funktioniert der Laden als Galerie – aktuell für Werke der Textilkünstlerin „Samt & Seide“ – und es gibt Events, zuletzt etwa ein Filmscreening von Katharina Mücksteins „Feminism WTF“.

Weitere relativ junge Secondhandgeschäfte sind u.a. der EPD Market (Neubaugasse 67), Holy Garbage (Währinger Straße 138), Bender Vintage (Lerchenfelder Straße 53).

Etabliert sind unter anderem die Burggasse 24 an der gleichnamigen Adresse, Flo Vintage (Schleifmühlgasse 15A) oder als Consignment Store Zweitkleid7 (Westbahnstraße 7).

Das Carla-Pop-up in der Mariahilfer Straße 3 hat kürzlich verlängert: Eigentlich sollte Ende März Schluss sein – nun läuft das Pop-up bis mindestens Ende Juli.

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