Bildung

200.000 gratis Nachhilfestunden sollen kommen

Bildungsminister Martin Polaschek präsentierte die Maßnahme mit Vertretern von NGOs.
Bildungsminister Martin Polaschek präsentierte die Maßnahme mit Vertretern von NGOs.Caio Kauffmann
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Das Ziel ist laut Bildungsministerium eine flächendeckende Lernhilfe mit besonderem Fokus auf sozial- und bildungsbenachteiligte Schülerinnen und Schüler.

Kinder und Jugendliche, die am Nachmittag aus der Schule kommen und danach nicht noch auf die eine oder andere Art Unterstützung beim Lernen brauchen – das ist in Österreich etwa im Vergleich zu den skandinavischen Ländern immer noch relativ selten. Laut einer Erhebung der Arbeiterkammer bekommt rund ein Drittel der österreichischen Schüler externe Nachhilfe, um die Lernziele zu erreichen. 78 Prozent lernen außerdem zumindest hin und wieder mit ihren Eltern, ein Viertel sogar täglich. 17 Prozent nehmen bezahlte Nachhilfe in Anspruch. Dafür werden von den Familien im Jahr rund 122 Millionen Euro ausgegeben.

14 Millionen für Lernhilfe

Wer sich das nicht leisten kann, steht schnell vor einem Problem. Aus diesem Grund baut das Bildungsministerium nun unter anderem mit Geldern aus dem europäischen Sozialfonds das Lernhilfe-Förderprogramm aus. Mit insgesamt 14 Millionen Euro sollen bis Ende 2026 Lernunterstützung im Umfang von 200.000 Stunden angeboten werden.

Das Ganze soll über die Plattform wirlernen.at laufen, die von Organisationen wie der Caritas, der Diakonie, dem Jugendrotkreuz oder der Lerntafel Wien getragen wird. Seit 2020 werden dort sogenannte Lernbuddys vermittelt – das können etwa Lehramtsstudierende, pensionierte Pädagogen oder auch andere Schüler sein. Die Initiative gibt es bereits seit der Corona-Pandemie.

Weil aber der Bedarf nach kostenloser Nachhilfe in den vergangenen Jahren auch wegen der Teuerung weiter gestiegen sei, wurde im Bildungsministerium nun ein Konzept ausgearbeitet, um das Förderprogramm dauerhaft zu etablieren. „Ziel ist es, allen Schülerinnen und Schülern, unabhängig von ihrem sozialen Hintergrund, die beste Bildung zu ermöglichen“, sagt Bildungsminister Martin Polaschek. Laut ihm sollen die Lernstunden gezielt „jenen jungen Menschen zur Verfügung gestellt werden, die sie wirklich brauchen.“ Das sei eine Investition in die Zukunft, die „zu einer gerechten Bildungsgesellschaft beiträgt“. Ähnlich sieht das auch Anna Parr, Generalsekretärin der Caritas Österreich Die Wartelisten würden zeigen, wie groß die Nachfrage nach kostenloser Lernunterstützung sei. „Der Bildungsweg eines Kindes darf nicht von Einkommen und Bildungsgrad der Eltern abhängen“, sagt sie. Mit der Initiative weiterlernen.at und den 69 Lerncafés der Caritas in Österreich würde dieser Entwicklung etwas entgegengesetzt. Allerdings brauche es neben der Lernunterstützung auch den schnellen Ausbau von kostenlosen Kindergartenplätzen und den Ausbau ganzheitlicher und ganztägiger Schulformen.

„Aus der Zeit gefallen“

Das unterstreicht auch Elke Larcher, Bildungsexpertin der Arbeiterkammer (AK), im Gespräch mit der „Presse“. Dass die Nachfrage nach Nachhilfe in Österreich im internationalen Vergleich so hoch sei, liege vor allem am Halbtagsschulsystem. Letzteres stamme aus einer Zeit, in der es oft noch üblich war, dass Kinder etwa in der Landwirtschaft mitarbeiten. Das sei aus der Zeit gefallen und ergebe heute keinen Sinn mehr. Dieses Problem werde mit den 200.000 gratis Nachhilfestunden nicht gelöst – auch würden diese bei Weitem nicht ausreichen, um den Bedarf zu decken. Dennoch begrüßt Larcher die Initiative. Erstmals gebe es mit der Finanzierung bis 2026 nämlich auch eine längerfristige Perspektive, und nicht nur ein Weiterhanteln von Schuljahr zu Schuljahr.

Polaschek sichert zu, dass das Programm auch nach 2026 auf jeden Fall verlängert“ werden soll. Derzeit arbeite das Ministerium daran, wieder eine Kofinanzierung aus EU-Mitteln sicherzustellen.

Die AK-Bildungsexpertin plädiert unterdessen dafür, sich ein Beispiel an Städten wie Hamburg oder London zu nehmen. Dort bekommen Schulen mit größeren Herausforderungen bei der Förderung der Kinder zusätzliche finanzielle Mittel, die sie etwa für mehr Personal einsetzen können. Laut Larcher sollen aber darüber hinaus auch Lernhinhalte und die Art des Lernens generell überdacht werden. Aktuell würde oft auf einen veralteten Fächerkanon und das Lernen auf einen Test hin gesetzt, statt interdisziplinäres Lernen zu forcieren und die Kinder und Jugendlichen dort zu fördern, wo ihre jeweiligen Talente liegen.

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