Strafverfolgung

Jugendbanden: „Gewaltbereitschaft steigt“

Wiens Staatsanwaltschafts-Leiterin Michaela Obenaus: „7100 Anklagen im Jahr 2023“.
Wiens Staatsanwaltschafts-Leiterin Michaela Obenaus: „7100 Anklagen im Jahr 2023“. V. Voithofer
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Die Staatsanwaltschaft Wien registriert derzeit eine Verschärfung der Jugendkriminalität: „Immer öfter haben wir es mit organisierten Banden zu tun.“

Erst vor ein paar Tagen suchte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) Wien-Favoriten und damit jene Gegend auf, in der die Kriminalität durch Jugendbanden regelmäßig für Schlagzeilen sorgt. Und nachdem der Minister die neu gegründete Polizei-Einsatzgruppe „Jugendkriminalität“ vorgestellt hat, bestätigte am Donnerstag auch die Staatsanwaltschaft (StA) Wien: „Die Gewaltbereitschaft bei Jugendlichen ist gestiegen.“

Die Leiterin der StA Wien, Michaela Obenaus: „Wir haben es immer öfter mit organisierten Jugendbanden zu tun.“ Und: „Im Bereich der Jugendkriminalität beobachten wir seit einiger Zeit, dass Raub, Erpressung, also schwere Gewaltdelikte, zunehmen. Die Gewaltbereitschaft ist gestiegen. Früher hatten wir vor allem minderschwere Raube, mittlerweile sind es oft Raubüberfälle mit Waffen – und das in organisierter Form.“

Im Vorjahr 34.000 Anzeigen

Dazu, wie bereits berichtet, ein paar Zahlen: 2013 wurden 4800 Zehn- bis 14-Jährige wegen Straftaten angezeigt. 2022 waren es mehr als 9500. Auch die Zahl der angezeigten 14- bis 18-Jährigen (ab 14 ist man strafmündig) erhöhte sich von 24.800 im Jahr 2013 auf knapp 34.000 im Jahr 2022.

Ein konkreter Fall von organisierter Jugendkriminalität wurde aktuell von der StA Wien ermittelt; eine 130 Seiten starke Anklage wurde bereits bei Gericht eingebracht. Die Rede ist von jener Jugendbande, deren Mitglieder versucht hatten, durch Schutzgelderpressung zu Geld zu kommen. Drei Brandanschläge auf einen Handy-Shop in Meidling, begangen im vergangenen September, werden den Verdächtigen zur Last gelegt. Auf diese Art wollten die nunmehrigen Angeklagten den Shop-Inhaber zur Zahlung von 25.000 Euro zwingen.

Zwei Sturmgewehre

Zehn Beschuldigte im Alter zwischen 14 und 19 Jahren müssen sich nun verantworten. Sechs von ihnen sitzen in U-Haft. Als einer der Rädelsführer gilt ein mittlerweile 17-Jähriger, der bisher zu den Vorwürfen schweigt. Dieser Jugendliche soll in Tschechien verbotene „Kugelbomben“ (Feuerwerkskörper) gekauft haben und mit diesen zusammen mit einem Komplizen erst in einer Wohnung und dann in einer Moschee hantiert haben. Sichergestellte Chats legen nahe, dass die tschetschenisch dominierte Bande auch zwei AK-47-Sturmgewehre (Kalaschnikow-Maschinengewehre) besaß. Die zur Anklage gebrachten Delikte lesen sich wie ein Auszug aus dem Strafgesetzbuch: schwere Erpressung, versuchte Brandstiftung, schwerer Raub, versuchte absichtlich schwere Körperverletzung, kriminelle Vereinigung und verbrecherisches Komplott. Als Tatwaffen wurden Messer und Macheten verwendet.

Kampf gegen Cybercrime

Abgesehen vom Thema Jugend- bzw. Bandenkriminalität wies StA-Leiterin Obenaus auf das seit Jahren stark steigende Feld der Cyberkriminalität hin. Diverse Delikte, vom Datenraub samt darauf folgenden Erpressungen bis hin zu Betrügereien (zuletzt etwa durch die per SMS übermittelte Aufforderung angebliche Schulden beim Finanzamt zu begleichen) werden im Internet begangen. Obenaus zu den Schwierigkeiten bei den Ermittlungen: „Praktisch alle Cybercrime-Strafverfahren haben einen Auslandsbezug, das heißt wir sind stets auf Rechtshilfe angewiesen.“

Um diese Tatbestände in den Griff zu bekommen, wird mit 1. Juni innerhalb der StA Wien – diese ist die mit Abstand größte Staatsanwaltschaft Österreichs – eine Sondergruppe eingerichtet. Derzeit sind vier Ankläger (die Behörde verfügt aktuell über 111 Planstellen, dazu kommen 50 Bezirksanwälte) auf diesen Bereich spezialisiert. Im Vorjahr sind knapp 70.000 Verfahren bei der StA Wien angefallen (deren Mitarbeiter vertraten in 9400 Verhandlungen die Anklage). Bundesweit waren es 211.000.

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