Debatte über Enteignung

Was passiert mit den russischen Milliarden in der Schweiz?

Allein sieben Milliarden Franken von der russischen Zentralbank liegen auf Schweizer Konten. Enteignen kann Bern nicht, will sich aber trotzdem dafür einsetzen, dass die Gelder der Ukraine zugutekommen.

Die Idee schien zeitweise vom Tisch, und nun taucht sie in Bern erneut auf. Und zwar Anfang März, als der Ständerat, die zweite Kammer des Schweizer Parlaments, mehrere Motionen annahm, die zuvor schon der Nationalrat gutgeheißen hatte. Der Bundesrat, heißt es in diesen Motionen, solle Schritte setzen, um auf eingefrorene Gelder der russischen Zentralbank oder staatlicher Betriebe in der Schweiz zugreifen zu können. Die Gelder sollen an die Ukraine für den Wiederaufbau überwiesen werden. Allein von der russischen Zentralbank liegen mehr als sieben Milliarden Franken auf Schweizer Konten.

Diese Debatte, die zur Zeit auch auf EU-Ebene geführt wird, hat in der Schweiz weitere Komponenten. Aufgrund der Neutralität kann sich Bern mit diesen Geldern nicht an Waffengeschäften beteiligen. Gleichzeitig steigt aber der Druck, sich mehr an der humanitären Hilfe zu beteiligen. Außenminister Ignazio Cassis hat sechs Milliarden Franken in Aussicht gestellt, doch hat sich das Parlament jüngst gegen die Einrichtung eines speziellen Ukraine-Fonds ausgesprochen.

Das heißt: Die Gelder für den Wiederaufbau der Ukraine sollen aus dem allgemeinen Topf für die Entwicklungshilfe kommen, was zur Folge hat, dass für andere Krisenherde im globalen Süden weniger Geld zur Verfügung steht. Der Kampf um das Geld aus dem Bundeshaushalt hat sich zuletzt noch verschärft, da sich das Schweizer Stimmvolk für eine 13. Pensionsauszahlung ausgesprochen hat. Hier ist die Finanzierung völlig unklar.

Friedenskonferenz noch in der Schwebe

Jedenfalls muss nun der Bundesrat nach der Annahme der Motionen zu den eingefrorenen Geldern handeln. Einfach enteignen geht nicht, das Justizdepartement hat erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines solchen Schrittes. „Fremdes Staatsvermögen ist völkerrechtlich nicht vor vorläufigen Einfrierungen geschützt, aber vor definitiven Konfiskationen“, sagte dazu auch der Schweizer Völkerrechtler Oliver Diggelmann dem SRF. Bern kann sich aber international dafür einsetzen, dass das Völkerrecht angepasst wird. Dass also die Weichen gestellt werden, damit die Gelder des Aggressors für den Wiederaufbau des angegriffenen Staates verwendet werden dürfen.

Aus dem Wirtschaftsdepartement ist auch die Idee zu hören, dass Schweizer Firmen Aufträge für den Wiederaufbau in der Ukraine erhalten, die Rechnung dafür jedoch Bern übernimmt. Themen wie diese können auch bei der breit aufgestellten Friedenskonferenz besprochen werden, die die Schweiz im Auftrag Kiews ausrichten möchte. Zwar zeigt sich Bern engagiert, doch wichtige Länder des globalen Südens wollen ihre Teilnahme noch nicht direkt zusagen. (duö)

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