Vorkriegszeit

Polen: Donald Tusk sieht Beginn eines kriegerischen Zeitalters in Europa

APA / AFP / Brendan Smialowski
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„Krieg ist kein Konzept mehr aus der Vergangenheit“, sagt der polnische Regierungschef und fügt hinzu, dass er um die niederschmetternde Dimension wisse, vor allem für die jüngere Generation. „Aber wir müssen uns daran gewöhnen“.

Die russische Invasion in der Ukraine vor gut zwei Jahren hat nach Einschätzung des polnischen Regierungschefs Donald Tusk ein neues, kriegerisches Zeitalter in Europa eingeläutet. „Ich weiß, es klingt niederschmetternd, vor allem für die jüngere Generation, aber wir müssen uns daran gewöhnen, dass eine neue Ära begonnen hat: die Vorkriegszeit. Ich übertreibe nicht; das wird jeden Tag deutlicher“, sagte er der „Welt“ und europäischen Partnermedien.

„Ich möchte niemandem Angst machen, aber Krieg ist kein Konzept mehr aus der Vergangenheit“, sagte Tusk. „Er ist real, und er hat schon vor über zwei Jahren begonnen.“ Am beunruhigendsten sei derzeit, dass buchstäblich jedes Szenario möglich sei, sagte Tusk. „Eine solche Situation haben wir seit 1945 nicht mehr erlebt.“ In dem Jahr ging der Zweite Weltkrieg mit der Kapitulation Hitler-Deutschlands zu Ende.

Tusk fordert verstärkten Schutz der EU-Außengrenze

Zugleich sagte Tusk, er beobachte eine Revolution in der europäischen Mentalität. Niemand stelle mehr infrage, dass man sich gemeinsam verteidigen müsse. „Schauen Sie sich Deutschland an, dort hat ein gewaltiger Umschwung stattgefunden. Heute wetteifern CDU und SPD darum, wer von ihnen proukrainischer ist.“

Angesichts der Instrumentalisierung von Migranten durch Russland forderte er einen konsequenteren Schutz der EU-Außengrenzen. „Die Europäische Union als Ganzes, als mächtige Organisation, muss mental dafür bereit sein, für die Sicherheit unserer Grenzen und unseres Territoriums zu kämpfen.“ Zu Zurückweisungen von Migranten direkt an der Grenze sagte er: „Niemand kann jede Person einzeln prüfen, wenn Russland und Weißrussland Tausende von Menschen auf einmal an die Grenze schicken. Sie tun dies gezielt und kaltblütig. Wenn wir mit tausend Menschen zurechtkommen, schicken sie zehntausend und so weiter.“ Das Ziel der Regierungen in Russland und Belarus sei Destabilisierung. „Sie wollen, dass wir einen Punkt erreichen, an dem wir unsere eigenen Rechte und Werte verleugnen müssen.“ Es gelte nun, so menschlich wie möglich zu handeln.

Lawrow: Friedensplan „sinnlos“

Der russische Außenminister Sergej Lawrow bezeichnet in einem am Freitag veröffentlichten Interview mit der Moskauer Tageszeitung „Iswestija“ den von der Ukraine vorgeschlagene Friedensplan als sinnlos. „Wir sind auf jeden Fall zu Gesprächen bereit, aber nicht auf der Grundlage der ‚Friedensformel‘ Selenskyj“, sagt Lawrow laut der Zeitung.

Ein vorgeschlagener Friedensgipfel werde erst dann Erfolg haben, wenn seine Grundlagen geändert würden, wozu auch die Teilnahme Russlands gehöre, so Lawrow. Er weist die Bestimmungen des Plans, der unter anderem den Abzug der russischen Truppen vorsieht, weiterhin als inakzeptabel zurück. „Wie könnte ein ernsthafter Politiker in Washington, Brüssel, London, Paris oder Berlin sagen, dass es keine Alternative zur ‚Selenskyj-Formel‘ gibt“. (APA/dpa/Reuters/AFP)

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