Justiz

Kurz-Prozess: Noch ein Ruf nach Reformen

Einzelrichter Michael Radasztics vom Straflandesgericht Wien (rechts im Bild bei einer Unterredung mit Oberstaatsanwalt Gregor Adamovic, Bild vom 23. Oktober 2023) soll laut Verteidigung den Anschein der Befangenheit erweckt haben.
Einzelrichter Michael Radasztics vom Straflandesgericht Wien (rechts im Bild bei einer Unterredung mit Oberstaatsanwalt Gregor Adamovic, Bild vom 23. Oktober 2023) soll laut Verteidigung den Anschein der Befangenheit erweckt haben.Imago/M. Juen
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Strafrechtler Severin Glaser von der Universität Innsbruck plädiert für eine Neuerung in Sachen Befangenheit.

Der Falschaussage-Prozess gegen Sebastian Kurz (ÖVP) sorgt auch nach Urteilsverkündung – der Ex-Kanzler hat acht Monate bedingte Haft erhalten – für Aufregung. Zuerst hatte der Salzburger Strafrechtsprofessor Hubert Hinterhofer im „Presse“-Gespräch vorgeschlagen, dass es Richtern künftig untersagt sein solle, ein Strafverfahren zu führen, wenn gegen sie ein Disziplinarverfahren anhängig ist. Nun ruft auch Strafrechtsprofessor Severin Glaser vom Institut für Strafrecht der Universität Innsbruck nach Reformen.

Glaser findet den Anlassfall im Hinblick auf die Befangenheits-Problematik „äußerst unschön“ und schlägt neue Ausgeschlossenheits-Regeln vor. Zur Erklärung: Im Kurz-Prozess hatte die Verteidigung einen Antrag auf Ausschluss des Richters gestellt. Letzterer, Einzelrichter Michael Radasztics vom Straflandesgericht Wien, hatte in seiner früheren Zeit als Staatsanwalt im Rahmen des Eurofighter-Verfahrens Kontakte zum Grün-Mandatar Peter Pilz. Und damit zu einem politischen Gegner von Kurz. Den gegen ihn selbst gestellten Antrag wies Radasztics ab. Wie später eine über ihn verhängte Disziplinarstrafe zeigte, hatte Radasztics dem Grün-Politiker auch die Existenz einer im Eurofighter-Verfahren erteilten Weisung verraten.

»„Ob sich der Richter selbst für befangen hält, mag er wohl selbst am besten beurteilen können. Aber es geht auch darum, ob er den objektiven Anschein der Unbefangenheit erweckt.“«

Strafrechtler Severin Glaser

Glaser: „Ob sich der Richter selbst für befangen hält, mag er wohl selbst am besten beurteilen können. Aber es geht auch darum, ob er den objektiven Anschein der Unbefangenheit erweckt.“ Und weiter: „Es geht also darum, ob der Richter auch auf die Öffentlichkeit unbefangen wirkt. Diese Frage kann eine außenstehende Instanz besser beurteilen.“

Als außenstehende Instanz schlägt Glaser das jeweils zuständige Oberlandesgericht (OLG) vor. Der Vorteil dieser Lösung: „Dann könnte man die Befangenheitsfrage während des erstinstanzlichen Verfahrens lösen und nicht erst im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens.“

Dazu muss man wissen: Nach der erstinstanzlichen Verurteilung des Ex-Kanzlers meldete die Verteidigung volle Berufung an. Somit wird die zweite Instanz (eben das OLG) das Thema „Befangenheit“ zu beurteilen haben. Geht die Berufung durch, könnte es zu einer Prozesswiederholung kommen.

Sollte der Gesetzgeber Glasers Vorschlag aufgreifen, verringere sich, so der Experte, die Gefahr, „riesige Hauptverfahren wegen leicht vermeidbarer Fehler umsonst gemacht zu haben.“ Dass die Verteidigung oder die Anklage mit einer solchen Neuregelung Antrag um Antrag einbringen und somit künftige Verfahren verzögern könnte, sei zu verkraften. Denn: „Diese Möglichkeit besteht auch bei anderen Rechtsschutzmöglichkeiten, zum Beispiel beim Einstellungsantrag.“

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