Post aus den USA

Wo bleibt die Ekstase?

Was war das noch für eine Begeisterung im Wahljahr 2020! Bis 5. November ist nicht mehr viel Zeit, sich das in Erinnerung zu rufen.  
Was war das noch für eine Begeisterung im Wahljahr 2020! Bis 5. November ist nicht mehr viel Zeit, sich das in Erinnerung zu rufen.  Elisabeth Postl
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Beobachtungen der US-Korrespondentin im Wahljahr. Diesmal: Hyper, Hyper ist Bürgerpflicht

Der Frühling an der Ostküste hat zwei Merkmale: „March Madness“ und „Fake Spring“. Ersteres ist der Wahnsinn der College-Basketball-Saison, Letzteres der Wahnsinn des Wetters, der einen zu einer Garderobe sowohl mit Kitten Heels als auch Combat Boots zwingt. In diesem zweiten Frühling, in dem sich das Land für eine Präsidentschaftswahl mit Joe Biden und Donald Trump aufwärmt, kommt ein drittes Merkmal hinzu: der politische Wahnsinn.

So wurmen sich die meisten aus dem ­politischen Winterschlaf, den sie über die vergangenen drei Jahre gehalten haben. Die letzte Präsidentschaftswahl, 2020, kostete so viel Energie, dass sie sich, vom Opi-Style von Bidens Weißem Haus ein­gelullt, wieder vom Politacker gemacht haben. Die Headline des „New York“-Magazins im Jänner, „Do You Remember the Ecstasy of Electing Joe Biden?“, war da wie ein Weckruf. Ach ja, es ist Wahljahr!

Frühlingsmüde, aber der Kurs stimmt

Langsam werden an den liberalen Dinner Tables also wieder die sachten Liebeserklärungen an Biden geflüstert. Mehr Energie ist noch nicht drinnen, aber für Progressive ist es auch heuer wieder ­Bürgerpflicht, Biden seine politischen wie physischen Schwächen nachzusehen. Die Rede zur Lage der Nation? „Die beste Rede seiner Karriere.“ Sticheleien gegen einen angeblich bankrotten Donald Trump? „Biden ist einfach witzig.“ Das ist alles noch etwas frühlingsmüde, aber der Kurs stimmt, wie man in Österreich seit Werner Faymann zu sagen pflegt.

Dabei hätten die allermeisten Wähler eigentlich keine Lust mehr auf irgendeine Ekstase, weder links noch rechts. Eine schöne, ruhige Wahl, ohne Untergriffigkeiten und militante Ausschreitungen, mit einem jungen Kandidaten, noch besser einer jungen Kandidatin: ein omnipräsenter Wunsch. Doch die republikanische Basiswählerschaft hat dem Rest der USA wieder ihren Lieblingskandidaten vorgesetzt, einen New Yorker Ex-Promi mit Fernseherfahrung. Um am 5. November wieder auf den Straßen tanzen zu können, wie beim letzten Mal geschehen, müssen die Demokraten also in die Gänge kommen. Die Realität kommt schön langsam beim Wahlvolk an. Eine Freundin erzählt, dass sie seit Tagen von einem Traum heimgesucht werde: von einem Wahlsieg Trumps. Definitiv ein Grund, weniger zu schlafen. „Gut, dass die Uhren umgestellt wurden.“ 

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