Randerscheinung

Analog fernsehen bei den Eltern

Florian Asamer
Florian Asamer Carolina Frank
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Wer ist der Mörder im Fernsehkrimi? Immer die Person, die am öftesten vorkommt, aber keine Hauptrolle hat.

Es gibt da also diesen Fernseher, der noch so funktioniert, wie Fernseher seit jeher funktioniert haben. Eine Fernbedienung, ein paar Sender, laut, leise, ein, aus. Aus. Kein Smart-TV, kein Satelliten-Receiver, keine Soundbar. Kein Netflix, kein Amazon Prime, kein Apple TV. Dieses Relikt ist im Elternhaus stehen geblieben, und ich nutze es, wenn ich dort auf Besuch bin. Dann drehe ich einfach auf (oft auch um 20.15 Uhr) und schaue eben an, was da so kommt. Und es kommt praktisch immer ein Krimi. Diese Krimis haben sich seit meiner Kindheit, was Sendeplatz und Länge angeht, nicht verändert, nur die durchwegs männlichen Kommissare wurde ausgetauscht und durch verschiedenste Ermittlungskollektive ersetzt. Und viel interessanter als der Fall selbst (was wirklich keine Kunst ist) ist die Dynamik innerhalb der Exekutive.

Wer wen (heimlich) hasst, wer wen (heimlich) liebt, wer wie viel (heimlich) trinkt, wer sich von wem (heimlich) bestechen hat lassen etc., bestimmt die Handlung weitgehend. Und das ist auch notwendig, weil die sogenannten Fälle nicht einmal gut genug sind, um eine Viertelstunde Programm zu tragen. Wie auch, wenn täglich zig dieser Krimis parallel laufen? Kein Wunder, dass da niemandem mehr etwas einfällt. Man weiß eigentlich sofort, wer es war. Und es ist praktisch immer die Person, die am öftesten vorkommt, aber keine Hauptrolle hat. Also zum Beispiel der beste Freund des Hauptverdächtigen, der wie die Kücheninsel oft im Bild ist, aber nur wenig sagt. Trotzdem verstehe ich die Auflösung meistens nicht, was schon auch damit zu tun haben könnte, dass ich einen großen Teil der Handlung verschlafe. Für alle also, die es nicht wussten: Es gibt das gute alte Fernsehen noch. Und jetzt drücken wir den Aus-Knopf.

(Die Presse Schaufenster, 5.4.2024)

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