Terrorismus-Anklage

Anschlagsplan auf Wiener Hauptbahnhof: Zwei Jahre teilbedingt für 17-Jährigen

Der Wiener Hauptbahnhof war als Terrorziel ins Auge gefasst worden. Der potenzielle Täter, ein 17-jähriger Islamist, war bereits am ausgewählten Tatort angekommen, hatte aber von seinem Vorhaben abgelassen.
Der Wiener Hauptbahnhof war als Terrorziel ins Auge gefasst worden. Der potenzielle Täter, ein 17-jähriger Islamist, war bereits am ausgewählten Tatort angekommen, hatte aber von seinem Vorhaben abgelassen. APA/Georg Hochmuth
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Wegen Mitgliedschaft bei der – mittlerweile massiv geschwächten – Terrororganisation Islamischer Staat (IS) ist am Donnerstag ein 17-Jähriger in Wien verurteilt worden.

Ein 17-Jähriger ist am Donnerstag am Wiener Landesgericht wegen der Mitgliedschaft in der Terrororgansisation Islamischer Staat (IS) zu zwei Jahren Haft, davon acht Monate unbedingt, verurteilt worden. Weil er bereits sieben Monate in U-Haft sitzt, kommt er in einem Monat frei. Allerdings muss er in der restlichen 16 Monaten bestimmte Auflagen erfüllen: Er muss in einer betreuten Wohneinheit wohnen, Bewährungshilfe in Anspruch nehmen, eine Psychotherapie machen und das Deradikalisierungsprogramm des Vereins Derad absolvieren. 

Wie kam es dazu? Eigentlich wollte K. (17) am geschichtsträchtigen 11. September des Vorjahrs am Hauptbahnhof Wien mehrere Menschen töten. Mehr als drei oder vier Opfer hätten es werden sollen, wie K. später der Polizei freimütig erzählte.

Der Jugendliche war an jenem 11. September bereits mit einem eigens gekauften Feldmesser im Bahnhof gestanden. Seinen Terroranschlag hatte er zuvor auf dem Messengerdienst Telegram angekündigt. Inklusive Foto von ihm selbst – in Kampfmontur. Doch dann, unmittelbar am ausgewählten Tatort, verließ ihn der Mut. Am Donnerstag stand K. in Wien vor einem Schöffensenat des Straflandesgerichts Wien.

Allerdings nicht wegen des geplanten Anschlags – denn die Staatsanwaltschaft stellte in diesem Punkt die Ermittlung wegen des Rücktritts vom Versuch ein. Doch weitere Vorwürfe wurden sehr wohl erhoben: K. musste sich wegen Mitgliedschaft bei der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und auch wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation verantworten.

Werbung für IS in sozialen Medien

Die in der Anklage aufgelisteten Vorwürfe beziehen sich auf das Betreiben von Propaganda für den IS: So soll K. von Jänner bis September des Vorjahres als IS-Mitglied eifrig Werbung für diese Vereinigung gemacht – und diese fortwährend verherrlicht haben. Und zwar in sozialen Medien und im Rahmen diverser Chats – zum Beispiel innerhalb von WhatsApp-Gruppen.

Da gab es beispielsweise das Foto einer von K. selbst hergestellten, unfertigen Zeichnung einer IS-Flagge – dieses Foto hatte der Jugendliche anderen Chatgruppen-Mitgliedern als mögliches Sujet für ein TikTok-Video präsentiert.

»Im Koran steht, wenn jemand dabei getötet wird, während er Ungläubige tötet, wird er ein Märtyrer. «

Der Angeklagte K. im Polizeiverhör

Auch ein russisches IS-Propagandavideo mit dem Aufruf zum „Kampf gegen Ungläubige“ hatte der 17-Jährige an Mitschüler versendet. Zudem hat K. ein Video, das die Ermordung zweier türkischer Soldaten durch den IS zeigt, weitergeleitet. Insgesamt fanden sich 2870 IS-Videos auf seinem Datenspeicher.

Auch Fotos von sich selbst, wie er im Klassenzimmer vor der Tafel posierte, teilte K. auf sozialen Medien: Zu sehen war ein mit Kreide auf die Tafel gezeichnetes IS-Logo. Unter den Fotos standen Koranverse und Kommentare wie: „Gesetze höre ich nur von Gott, der uns erschaffen hat und nicht von Ungläubigen.“

Jüngstes von fünf Kindern

K. wuchs als Sohn türkischstämmiger Eltern, nämlich als jüngstes von fünf Geschwistern, in Wien auf. Er besuchte eine sonderpädagogische Schule. Laut seinem Anwalt David Jodlbauer wird sich der derzeit in U-Haft befindliche junge Mann hinsichtlich der Anklagevorwürfe schuldig bekennen.

Am 10. September 2023 hatte K. in einem TikTok-Chat einem Chatpartner angekündigt, am Folgetag einen Terroranschlag verüben zu wollen. In einer Telegram-Gruppe, in der auch Anleitungen zur Sprengstoffherstellung kursierten, lud er ein Foto hoch, das ihn in Tarnkleidung mit einem Jagdmesser in der Hand zeigt. Dazu trägt eine Bombenwesten-Attrappe. Das Bild war mit einem holprig geschriebenen Kommentar versehen: Er werde, so hieß es, im Namen Allahs eine Attacke in Wien verüben. In einem anderen Chat schrieb er, er werde „hoffentlich“ bald Märtyrer sein.

Die Ankündigung eines Anschlags

Am 11. September 2023 veröffentlichte er das Jagdmesser-Foto in einer Telegram-Gruppe. Ein Informant gab der Staatsschutz-Direktion, DSN, daraufhin einen Tipp. Eine Attentatsankündigung für denselben Tag wurde ebenfalls verfasst. Später war ein Rückzieher zu lesen: „I don´t do it.“

Der Plan des „Beinahe-Attentäters“ bestand darin, am Wiener Hauptbahnhof Knallkörper zu zünden und danach auf Flüchtende einzustechen. Dabei wollte K. „Allah Akbar“ („Gott ist groß“) rufen, „damit alle wissen, warum sie sterben“.

Danach wollte der 17-Jährige von der Polizei erschossen werden, um als Märtyrer in den Himmel zu kommen. Als Vorbild diente dem Jugendlichen der Wien-Attentäter vom 2. November 2020, K. F. Dieser hatte bei einem islamistischen Anschlag tatsächlich vier Menschen ermordet. Er selbst war im Zuge des Anschlags von einem Polizisten getötet worden.

Mutlos auf der Rolltreppe

Wie K. später im Verhör freimütig darlegte, habe ihn auf der Rolltreppe im Hauptbahnhof der Mut verlassen. Er habe dann sogar noch gewartet, bis der Mut zurückkommt. Dies sei aber nicht geschehen. Daher habe er abgelassen. Auch diese Aussage findet sich im Polizeiprotokoll: „Im Koran steht, wenn jemand dabei getötet wird, während er Ungläubige tötet, wird er ein Märtyrer. Das hat mich dazu gebracht, diesen Anschlag zu planen.“ Sein Vorhaben sei nach einem Streit mit seinem Vater gereift. Die Mutter von K. starb, als dieser sechs Jahre alt war.

Falls er überlebt hätte, so hätte er eine langjährige Haftstrafe bekommen, das sei ihm bewusst gewesen. Weiters gab er zu Protokoll: Der IS „macht alles richtig und kämpft für die Wahrheit.“ Wie sich bei der Ermittlung herausstellte, war ein Schusswaffenkauf offenbar gescheitert. K. soll bereits 500 Euro beisammen gehabt, aber keine Waffe bekommen haben.

Der Ring der Terrormiliz

Erst am Tag nach dem geplanten Anschlag konnte K. verhaftet werden, da er am selben Tag nicht aufgefunden werden konnte. Noch bei der Festnahme trug er ein Feldmesser am Gürtel. Und einen IS-Siegelring am Finger.

Weil K. die Tatausführung freiwillig aufgegeben hat, sieht die Staatsanwaltschaft eben einen Rücktritt vom Versuch als gegeben. Daher wurde die Ermittlung zu diesem Verfahrensstrang eingestellt.

Bedürfnis nach Zugehörigkeit

Laut psychiatrischer Expertise litt K. zuletzt an fehlenden Sozialkontakten. Weiters habe er Mobbingerfahrungen gemacht. Auch eine „unzureichende Förderung“ ortet die psychiatrische Gutachterin. K. sei eine unsichere, für negative Einflüsse anfällige Persönlichkeit mit einem großen Bedürfnis nach Zugehörigkeit.

Bei einem Islamismus-Screening (dabei handelt es sich um ein Instrument, das hilft, islamistische Radikalisierungsprozesse zu erkennen) deuteten 13 von 13 abgefragten Bereichen auf eine Radikalisierung hin.

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