Wahlkampf

Der Niedergang des „Kapitäns“: Matteo Salvini in Popularitätskrise

Matteo Salvini muss die Wähler noch überzeugen, warum sie ihn und nicht Giorgia Meloni wählen sollen.
Matteo Salvini muss die Wähler noch überzeugen, warum sie ihn und nicht Giorgia Meloni wählen sollen.Imago / Ipa/abaca
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40 Jahre nach Gründung der italienischen Lega weht ihrem aktuellen und bisher erfolgreichsten Parteichef Gegenwind entgegen. Die Konkurrenz von Regierungschefin Giorgia Meloni setzt Salvini unter Druck. Bei der EU-Wahl droht ein Debakel.

Ausgerechnet zum 40. Gründungsjubiläum der Lega, der zweitstärksten Regierungspartei in Italien, weht ihrem Parteichef Matteo Salvini rauer Gegenwind entgegen. Die Partei ist laut Umfragen von 34 Prozent bei den Europawahlen 2019 auf knapp sieben Prozent gefallen. Salvini bekommt die Konkurrenz von Premierministerin Giorgia Meloni auf der rechten Seite schmerzhaft zu spüren. Sollte die Lega bei den Europawahlen am 8. und 9. Juni abstürzen, droht Salvini politisch das Aus.

Am kommenden Freitag feiert die Lega ihr Jubiläum. Damit ist die Partei Salvinis die älteste im Parlament vertretene Gruppierung. Im Zuge eines tiefgreifenden Korruptionsskandals Anfang der 1990-er Jahre lösten sich mehrere Traditionsparteien auf, die Lega überlebte. Gegründet wurde sie als Lega Lombarda am 12. April 1984 in Varese von Senator Umberto Bossi, dessen Ehefrau Manuela Marrone, dem viermaligen EU-Abgeordneten Francesco Speroni und anderen autonomistisch gesinnten lombardischen Aktivisten.

Ein nationalistischer Kurs hat den sezessionistischen abglöst

Die Partei, die Ende der 1980er- und in den 1990-er Jahren mit sezessionistischen Slogans in Norditalien punktete, ist inzwischen eine treibende Kraft im Bündnis, das Regierungschefin Meloni unterstützt. Der Mailänder Salvini war es, der aus der Partei des Nordens eine nationale Rechtsgruppierung machte, die von den Alpen bis Sizilien zur bestimmenden Kraft im italienischen Rechtslager wurde. Viele Lega-Anhänger sind aber mit Salvinis Führung unzufrieden, hat er doch die norditalienischen Wurzeln verleugnet und eine gesamtstaatliche Partei auf die Beine gestellt, deren Politik sich jetzt kaum mehr von jener von Melonis „Brüder Italiens“ (Fratelli d‘Italia) unterscheidet.

Im Vergleich zur pragmatischen und zuverlässig wirkenden Premierministerin Meloni, die laut Umfragen weiterhin stabil mit 27 Prozent der Stimmen rechnen kann, hat Salvini an Glanz verloren. Angesichts der schlechten Umfragewerte und der Gefahr, dass die Lega bei den EU-Wahlen weniger Stimmen als die Forza Italia des im Juni verstorbenen Ex-Premiers Silvio Berlusconi erreicht, fordern auch Spitzenpolitiker der Partei einen Chefwechsel.

Seit über zehn Jahren führt Salvini die Lega ohne Unterbrechungen. Als er 2013 zum „Capitano“ gewählt wurde, lag die auf europäischer Ebene mit der FPÖ verbündete Lega national bei vier Prozent und galt als überregionale Partei mit starker Verankerung im Norden. Den Höhepunkt seiner Karriere erreichte Salvini während seiner Amtszeit als Innenminister zwischen 2018 und 2019, als er in Migrationsfragen zu Brüssel auf Konfrontationskurs ging und mit einer Migrationspolitik der „geschlossenen Häfen“ international für Schlagzeilen sorgte. Im Juni 2019 feierte die Lega einen Triumph bei den Europawahlen, bei denen sie es auf 34 Prozent der Stimmen schaffte.

Die Wähler setzten auf Meloni statt Salvini

Auch Salvinis Wahlkampf bei den Parlamentswahlen 2022 war ursprünglich ganz darauf ausgelegt, die Migration in Grenzen zu halten und für mehr Sicherheit einzutreten. Doch der wendige Politiker hatte eines nicht bedacht: Die Konkurrenz seitens seiner Verbündeten Meloni in dieser Frage. Das vermeintliche Alleinstellungsmerkmal Salvinis überzeugte nicht, die Italiener stimmten bei den Parlamentswahlen mehrheitlich für Melonis postfaschistische Partei.

Inzwischen bestimmen andere Themen als die Migration die politische Agenda in Italien. Diskutiert wird über die Teuerung, die hohen Energiepreise, die internationalen Konflikte und die Zukunft des öffentlichen Gesundheitswesens. Salvinis Gegner vergessen seine einstige Sympathie für den russischen Präsidenten Wladimir Putin nicht. Seine Anhänger im Norden verzeihen dem Vizepremier und Verkehrsminister sein Engagement für den Bau der „Monsterbrücke“ von Messina, die Sizilien mit dem italienischen Festland verbinden soll, nicht. Dabei handelt es sich um ein riesiges Infrastrukturprojekt, das Milliarden kosten und stark zur Erhöhung von Italiens Staatsschulden beitragen würde.

Ins Zwielicht geriet Salvini auch wegen seiner engen Verbindungen zu dem wegen Korruption inhaftierten Ex-Senator Denis Verdini. Dessen Tochter Francesca ist seit einigen Jahren Salvinis Lebensgefährtin.

Salvinis Zukunft vom Wahlergebnis abhängig

Wie es mit Salvini weitergehen wird, ist noch unklar. Sollte die Lega bei den EU-Wahlen über zehn Prozent der Stimmen erreichen, könnte er sich politisch retten. Sollte er jedoch unter die Acht-Prozent-Schwelle rutschen, die er bei den letzten Parlamentswahlen im Oktober 2022 erreich hatte, bleibt ihm der Rücktritt nicht erspart, analysieren politische Beobachter in Rom.

Als Kandidaten für Salvinis Nachfolge gelten der Regionalpräsident der Region Venetien, Luca Zaia, oder jener Friauls, Massimiliano Fedriga. Beide haben jedoch weder das Charisma noch die Energie Salvinis. Sie sind zwar auf lokaler Ebene beliebt und punkten mit guter Verwaltung, sie scheinen jedoch kaum in der Lage zu sein, der Lega eine echte Zukunftsvision zu geben. (APA)

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