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„Ausschließeritis“: Ex-Kanzler Schüssel attackiert von der Leyen

Altkanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP)
Altkanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP)(c) APA / Expa/ Johann Groder
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Die EU-Institutionen seien „grottenschlecht im Verkauf ihrer eigenen Erfolge“, moniert der Altkanzler. Auch sei es nicht sinnvoll, wenn sie einen „Bauchladen“ von unzähligen Themen herumtragen.

Zwei Monate vor der Europawahl hat Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) scharfe Kritik an der Spitzenkandidatin seiner konservativen Parteienfamilie, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, geübt und ihr Überregulierung vorgeworfen. „Unter von der Leyen heißt es: One out, five in“, kritisierte er am Donnerstag bei einer Podiumsdiskussion in Wien in Abwandlung des EU-Bürokratieabbau-Mottos, für jede neue Regelung eine alte zu streichen („One in, one out“).

Schüssel erinnerte daran, dass dieses Prinzip unter dem früheren EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker eingeführt und auch praktiziert worden sei. Weiters kritisierte der Ex-Kanzler, dass „die meisten Beschlüsse“ auf EU-Ebene im sogenannten Trilog-Verfahren fielen, also „hinter verschlossenen Türen“. Von den EU-Institutionen würden sie dann nur noch „durchgewunken“. „Das halte ich als langjähriger Parlamentarier für falsch“, so Schüssel, der der Europäischen Union auch mangelhafte Prioritätensetzung vorwarf und das Ressortsystem in der EU-Kommission infrage stellte.

„Man muss nicht jedem eine Kompetenz geben“

„Ich bin zwar dafür, dass jedes Mitgliedsland einen Kommissar behält, aber man muss nicht jedem eine Kompetenz geben“, sagte Schüssel. So könnte man etwa den Bereich Außenpolitik auf mehrere Kommissare aufteilen, die regional unterschiedliche Zuständigkeiten hätten. Hingegen stellte er etwa den Kommissar für Mehrsprachigkeit infrage. Jeder Kommissar mit eigenem Ressort müsse nämlich „beweisen, dass er etwas zusammengebracht hat“, was zum Ausbau der Bürokratie führe, argumentierte der frühere ÖVP-Chef. Die EU-Institutionen seien „grottenschlecht im Verkauf ihrer eigenen Erfolge“, monierte Schüssel. Auch sei es nicht sinnvoll, wenn sie einen „Bauchladen“ von unzähligen Themen herumtragen, die sie ununterbrochen bearbeiten wollen. „Man muss sich fokussieren auf die drei, vier wirklich wichtigen Themen“, forderte der Ex-Kanzler.

Schüssel äußerte sich in einer Podiumsdiskussion zum 20. Jahrestag des EU-Beitritts Polens, an der auch der polnische Außen-Staatssekretär Marek Prawda teilnahm. Der langjährige EU-Diplomat - er war sowohl polnischer EU-Botschafter als auch EU-Kommissionsvertreter in Warschau - pflichtete dem Ex-Kanzler bei. „Wir gehören zu den Ländern, die die EU nach außen stark sehen wollen und nach innen flexibel und vorsichtig“, betonte Prawda. Mit zu vielen Themen verliere man nämlich die Aufmerksamkeit der Menschen dafür, „was wirklich wichtig ist“, wandte er sich etwa auch gegen Idee von EU-Vertragsänderungen, weil dies auch den Erweiterungsprozess behindern könnte.

Schüssel wertete den Machtwechsel in Polen als Beleg für das Funktionieren der Demokratie in dem Land und kritisierte in diesem Zusammenhang die „Ausschließeritis“ in Bezug auf rechtspopulistische Parteien. Konkret führte er etwa die deutsche Praxis an, Politikern der Alternative für Deutschland (AfD) zustehende Posten im Bundestag zu verweigern. „Wer einem nicht passt, den möchte man am liebsten ausschließen - aus der Europäischen Volkspartei oder gleich aus der Europäischen Union“, kritisierte der Ex-ÖVP-Chef. „Die Folge wird sein, dass im neuen Europaparlament die europaskeptischen Gruppierungen zweit- oder drittstärkste Gruppe werden.“ (APA/Red.)

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