Economist-Insider

Sozialpolitik in der Sackgasse

Frauen übernehmen den Großteil der Kinderbetreuung in Österreich.
Frauen übernehmen den Großteil der Kinderbetreuung in Österreich. Imago / Vasily Pindyurin
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Sozialpolitisch brachten Türkis-Grün bisher so gut wie nichts zustande. Was vor allem an den ideologisch motivierten Widerständen der Grünen liegt. Aktuell zeigt sich das beim Pensionssplitting.

             

Jeannine Hierländer
stv. Ressortleiterin Economist

Jeannine Hierländer
 

Guten Morgen!

Das „Beste aus beiden Welten” wollten ÖVP und Grüne in ihrer Regierungszeit zusammenbringen. Sie neigt sich dem Ende zu, und längst ist klar: Sozialpolitisch liegen zwischen den Koalitionspartnern Welten, zusammengebracht haben sie in dem Bereich so gut wie nichts. Zu groß sind die weltanschaulichen Unterschiede, zu klein der Wille, sie beiseitezuschieben, um etwas zusammenzubringen. Vor allem aufseiten der Grünen. 

Das zeigte sich bei der Arbeitsmarktreform, die die Grünen im letzten Moment platzen ließen, weil sie keinesfalls eine Einschränkung des geringfügigen Zuverdienstes akzeptieren wollten. Obwohl die ÖVP im Gegenzug sogar bereit war, einer Anhebung des Arbeitslosengeldes zuzustimmen. Das zeigt sich aktuell bei der Bildungskarenz, wo sich die Grünen gegen eine ernsthafte Reform wehren, obwohl längst klar ist, dass die staatlich finanzierten Bildungsauszeiten in großem Stil zweckentfremdet werden. Und das zeigt sich beim Pensionssplitting. Die Regierung hat sich das automatische Pensionssplitting ins Programm geschrieben, aber es geht seit Jahren nichts weiter.

Beim Pensionssplitting überträgt der besser verdienende Elternteil – meist der Vater – dem schlechter verdienenden – meist der Mutter – einen Teil seiner Pensionsgutschriften. Was sinnvoll ist, schließlich ist es ein Fakt, dass Frauen mitunter deshalb weniger verdienen als Männer, weil sie häufiger die Arbeitszeit reduzieren, um sich um Kinder und Haushalt zu kümmern. Die Folge sind niedrigere Pensionen. Aber derzeit muss man das Pensionssplitting aktiv beantragen, und das macht kaum jemand: Nur 1348 Fälle verzeichnete die Pensionsversicherungsanstalt voriges Jahr.

Die Regierung wollte daraus einen Automatismus machen: Damit würden die Pensionen von Eltern automatisch gesplittet, es sei denn, man meldet sich aktiv ab („Opt-out“). Eine gute und nachvollziehbare Idee: Denn derzeit finden sich viele Männer in der bequemen Situation, dass ihre Frauen nach der Elternkarenz quasi automatisch in Teilzeit gehen. Die Pension ist da meistens noch so weit weg, dass sie nicht darüber nachdenken.

Ein automatisches Pensionssplitting würde in vielen Jungfamilien ganz sicher zu heftigen Diskussionen darüber führen, wie man sich Kinderbetreuung und Hausarbeit aufteilt, wer beruflich zurücksteckt, wer sich auf die Karriere konzentrieren darf/muss.  

Aber die Grünen sträuben sich gegen das Gesetz, und auch hier ist der Grund mehr ideologischer als praktischer Natur. Das Pensionssplitting verfestige Geschlechterrollen, finden sie. Man müsse den Gender Pay Gap als Ganzes bekämpfen. Wie auch andere „Ungerechtigkeiten“: Etwa die, dass Frauen zwei Drittel der unbezahlten Arbeit leisten und Männer zwei Drittel der bezahlten Arbeit. Und natürlich den hohen Teilzeitanteil bei Frauen. 

Ich tue mir schwer, diese Argumentation nachzuvollziehen: Ausgerechnet jene Partei, deren großes Anliegen es angeblich ist, die Situation der Frauen zu verbessern, stemmt sich gegen ein Gesetz, das die Pensionen von Frauen ganz sicher erhöhen würde.  

Die Abschaffung der Lohnunterschiede wird sich in dieser Legislaturperiode ganz sicher nicht mehr ausgehen. Das automatische Pensionssplitting schon. 

Wären da nicht diese verflixten ideologischen Widerstände. 

Herzlich, Ihre

Jeannine Hierländer

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