Theater

Coups und Flops am Burgtheater: Stückweise Bilanz der Ära Kušej

Martin Kušej, geboren 1961 in Wolfsberg (Kärnten), leitete das Burgtheater von 2019 bis 2024.
Martin Kušej, geboren 1961 in Wolfsberg (Kärnten), leitete das Burgtheater von 2019 bis 2024.APA / Comyan / Roland Schlager
  • Drucken

Martin Kušej wäre gern noch länger Direktor am Burgtheater geblieben. Doch statt ihm kommt im Herbst Stefan Bachmann. Wie war die vergleichsweise kurze Ära Kušej? Versuch einer Bilanz.

Herbert Fritschs Blödelei „Zentralfriedhof“ war die letzte Premiere der Ära Kušej: Das war es dann also mit dessen fünfjährigen Burgtheater-Engagement. Irgendwie ist „Zentralfriedhof“ symptomatisch dafür. Großes wurde 2019 bei seinem Antritt versprochen (Internationalität, Multikulturalität, Traditionsbrüche). Aber die Größe, die diesem Haus gebührt, wurde nur zum Teil erreicht. Es gab herrliche Premieren, was bei dem noch immer tollen Ensemble nicht verwundert, aber auch recht viele Flops. Mäßige Auslastungszahlen bestätigen die Krise. Daran trug anfangs die Corona-Pandemie mit schuld, dazu kamen jedoch eigene Fehler.

Zu ihnen zählte die vollmundige Politisierung. Der „Hort der Opposition“ wirkte manchmal pubertär, wenn der Hausherr etwa „die braune Brut“ in Wien geißelte. Demnächst wird er sich Größerem widmen. Erneut soll es ein Gastspiel in Schanghai geben, eventuell eine Gastprofessur in China. Das kommunistische Regime sollte sich warm anziehen. Sicherlich wird der beherzte Kärntner auch dort drängende Fragen zu politischen Mängeln stellen.

In der Zeit Kušejs gab es jedenfalls viel Halbgelungenes, aber auch einige Coups – und systematische Flops. Hier eine Liste der sechs besten und der sechs misslungensten Produktionen aus der Sicht der „Presse“-Theaterkritiker

Die besten Produktionen

1.  „Vögel“ (Akademietheater 2019, Regie: Itay Tiran). Romeo & Julia im Nahen Osten: Großes Schauspielerdrama. 

2.  „Schwarzwasser“ (Akademie 2020, Robert Borgmann). Fantasievolle, fantastische Uraufführung des „Ibiza-Stücks“ von Elfriede Jelinek.

3.  „Maria Stuart“ (Burgtheater 2021, Martin Kušej). Über die nackten Männer rätselten viele und spotteten viele, doch die präzise, gestraffte Schiller-Inszenierung überzeugte. Mit der Traumpaarung Minichmayr/Beglau.

4.  „Das weite Land“ (Akademie 2022, Barbara Frey). Schnitzler, kühl und karg inszeniert. Und mit viel Gefühl für seine Sprache. Subtil: Michael Maertens.

5.  „Am Ziel“ (Kasino 2022, Matthias Lyssewski). Thomas Bernhard ohne Ohrensessel und dynamisch. Mit Dörte Lyssewski als erdrückender Mutter. 

6.  „Der Menschenfeind“ (Burgtheater 2023, Martin Kušej). Trotz aufgesetzten Wien-Bashings: Molières Komödie ohne Schwarz-Weiß-Malerei. 

Die misslungensten Stücke

1.  „Dies irae“ (Burgtheater 2019, Kay ­Voges). Castorf für Arme: Sinnloses Apokalypse-Potpourri des späteren Volkstheater-Kollegen.

2.  „Reich des Todes“ (Akademietheater 2021, Robert Borgmann). Autor Rainald Goetz vergleicht die USA nach 9/11 mit NS-Deutschland: Politisch höchst problematisch, außerdem fad.

3.  „Hamletmaschine“ (Kasino 2020, Oliver Frljić). Gummischwein und viel Blut: Heiner Müllers verzweifelter Text, drastisch verhunzt.

4.  „Hermannsschlacht“ (Burg 2019, Kušej). Wuchtig und trostlos: Eine misslungene Kleist-Umdeutung.

5.  „Der Zauberberg“ (Burg 2023, Bastian Kraft). Diese Romandramatisierung scheiterte an postdramatischem Unsinn, etwa der Aufteilung des Hans Castorp auf vier Schauspieler.

6.  „Die Jagdgesellschaft“ (Akademie 2021, Lucia Bihler). Lack, Latex und viel Zirkus, aber kein Sinn für Thomas Bernhards Sprache.

Autoren, die öfter als einmal gespielt wurden:

4 x Shakespeare: „This Is Venice“, „Der Sturm“, „Richard II.“, „Wie du es magst“, „Ein Sommernachtstraum“
3 x Bernhard: „Am Ziel“, „Heldenplatz“, „Die Jagdgesellschaft“
3 x Handke: „Zdenek Adamec“, „Zwiegespräch“, „Kaspar“
2 x Goethe: „Faust“, „Iphigenie auf Tauris“
2 x Schiller: „Don Karlos“, „Maria Stuart“
2 x Jelinek: „Lärm“, „Schwarzwasser“
2 x Euripides: „Die Bakchen“, „Die Troerinnen“
2 x Maria Lazar: „Der Henker“, „Die Eingeborenen von Maria Blut“
2 x Simon Stone nach Gorki: „Die Letzten“, „Kinder der Sonne“
2 x Horváth: „Kasimir und Karoline“, „Geschichten aus dem Wiener Wald“

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.