Interview

Leonore Gewessler: „Die Industrie braucht mehr als schöne Worte“

„Wir sind erpressbar. So ehrlich muss man sein“, sagt Leonore Gewessler.
„Wir sind erpressbar. So ehrlich muss man sein“, sagt Leonore Gewessler. Die Presse / Clemens Fabry
  • Drucken

Klimaschutz sei die beste Garantie für die Wettbewerbsfähigkeit Europas, meint die grüne Energieministerin Leonore Gewessler. Den Unternehmen verspricht sie Fördermilliarden statt Verbote, um sie vor der Konkurrenz zu schützen. Noch mehr Staatsbeteiligungen, wie es SPÖ-Chef Andreas Babler einfordert, brauche es für die Energiewende hingegen nicht.

Die Presse: In ganz Europa wird grüne Politik zurückgedreht. Lassen sich mit Klimaschutz heuer noch Wahlen gewinnen?

Leonore Gewessler: Ich bin überzeugt davon, dass es bei diesen Wahlen, auch auf europäischer Ebene, um eine absolute Richtungsentscheidung geht. Wollen wir mit Klimaschutz in eine gute Zukunft? Oder wollen wir mit rechter Propaganda zurück in die Vergangenheit? Wir haben uns in Europa in den letzten Jahren auf den Weg in Richtung Zukunft gemacht. Mit dem Green Deal, mit Fit for 55, mit all dem, was wir dann in den Nationalstaaten umgesetzt haben. Es ist keine Überraschung, dass das fossile System versucht, das Rad zurückzudrehen. Aber wer das tut, verspielt Europas Zukunft und die Zukunft der europäischen Industrie.

Auch in Österreich ist einiges noch in Schwebe. Wie ginge es Ihnen, würden Sie als erste grüne Klimaschutzministerin kein Klimaschutzgesetz hinterlassen?

Wir haben in den letzten vier Jahren gezeigt, dass grüne Politik wirkt. Nach Jahrzehnten des Jammerns und Nichtstuns haben wir gehandelt. Und die Emissionen sinken. Wir werden erstmals seit 1990 weniger als 70 Millionen Tonnen CO2 ausstoßen. Sind wir deshalb fertig? Natürlich nicht. Es braucht jedes Jahr ambitionierte Klimapolitik. Und ja, es braucht auch ein Klimaschutzgesetz.

Und warme Winter, damit das mit der Emissionsreduktion so weitergeht.

Das war in der Vergangenheit so, dass man bei der Klimabilanz immer auf externe Umstände hoffen musste. Aber das hat sich in den letzten vier Jahren geändert. Zum Glück. Denn wir reduzieren die Emissionen ja nicht als Selbstzweck, sondern, weil wir damit einen Planeten erhalten wollen, auf dem man noch gut wirtschaften und leben kann. 

Dennoch hat die Teuerung die Klimakrise als größte Sorge der Menschen abgelöst. Hat man unterschätzt, wie stark sich viele durch die Energiewende persönlich finanziell belastet fühlen?

Wir dürfen nicht vergessen, dass das Grundübel dieser Inflation in teurer, fossiler Energie liegt. Solang wir nicht aus russischen Gaslieferungen ausgestiegen sind, wird weiterhin Wladimir Putin mitentscheiden, wie hoch die Gaspreise auf dem österreichischen Markt sind. Die Energiewende und der Umstieg auf erneuerbare Energien sind ein wichtiger Teil dieser Inflationsbekämpfung.

Auf politischer Ebene greift diese Erzählung nicht mehr so richtig. In der EU erleben wir derzeit stattdessen die Demontage des Green Deal. War es ein Fehler, anfangs zu versprechen, dass man damit Jobs, Wohlstand und Klima auf einmal retten werde?

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.