#MeToo

Paukenschlag im Fall Weinstein: Gericht hebt Urteil auf

Harvey Weinstein beim Verlassen des Gerichts in New York im Jahr 2020.
Harvey Weinstein beim Verlassen des Gerichts in New York im Jahr 2020.APA/AFP/Johannes Eisele
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Wegen Sexualdelikten wurde Hollywood-Mogul Harvey Weinstein zu 23 Jahren Haft verurteilt. Nun wurde das Urteil überraschend aufgehoben. Frei geht er dennoch nicht.

Für die #MeToo-Bewegung war es ein grundlegender Fall, und ein ebenso gewichtiges Urteil: Der einstige Filmmogul Harvey Weinstein wurde 2020 wegen Sexualdelikten zu 23 Jahren Haft verurteilt. Drei Jahr später zu noch einmal 16 Jahren mehr. Ersteres Urteil, die 23 Jahre, hat der Oberste Gerichtshof von New York nun gekippt. Es soll neu verhandelt werden. Damit gaben die Richter am Donnerstag recht überraschend der Berufung Weinsteins statt. Nach Einschätzung des Berufungsgerichts lagen Verfahrensfehler vor. Die Auswirkungen der Urteilsaufhebung waren zunächst unklar, jedenfalls bleibe Weinstein aber wegen des zweiten Urteils, der 16 Jahre, im Gefängnis.

Mit 4:3 entschied das Berufungsgericht des Bundesstaats New York, dass der Richter, der Weinsteins Verurteilung im Jahr 2020 geleitet hatte, den Ex-Produzenten mit „ungeheuerlichen“ Fehlentscheidungen vorverurteilt habe. Es sei ein Fehler gewesen, Frauen, deren Anschuldigungen nicht Teil des im Jahr 2020 vor Gericht verhandelten Falls waren, zu erlauben auszusagen. Außerdem habe man Weinstein auf eine Art und Weise befragt, die ihn in einem „höchst nachteiligen“ Licht dargestellt habe. Weinsteins Anwalt Arthur Aidala feierte die Entscheidung: „Wir haben alle sehr hart gearbeitet, und dies ist ein großartiger Sieg für jeden Angeklagten im Staat New York.“

„Beunruhigender Trend“

„Wir kommen zu dem Schluss, dass das Gericht fälschlicherweise Zeugenaussagen über nicht angeklagte angebliche frühere sexuelle Handlungen gegen andere Personen als die Klägerinneren der zugrunde liegenden Straftaten zugelassen hat (…) die Abhilfe für diese ungeheuerlichen Fehler ist ein neues Verfahren“, heißt es in der Entscheidung.

»Die Entscheidung der Mehrheit hält überholte Vorstellungen von sexueller Gewalt aufrecht und ermöglicht es Tätern, sich der Verantwortung zu entziehen.«

Madeline Singas 

Richterin

Richterin Madeline Singas kritisierte die Aufhebung des Urteils scharf. Sie beschuldigte jene, die dafürgestimmt hatten, „die Fakten zu beschönigen, um einer Er-sagte/Sie-sagte-Erzählung zu entsprechen“, und fügte hinzu, dass das Berufungsgericht sich an einem „beunruhigenden Trend beteilige, Schuldsprüche von Geschworenen in Fällen sexueller Gewalt aufzuheben“. Auch werde damit eine überholte Vorstellung von sexueller Gewalt aufrechterhalten, Tätern ermögliche das, sich der Verantwortung zu entziehen. Ein anderer Richter, der gegen die Entscheidung gestimmt hatte, meinte, das Urteil mache „die steten Fortschritte zunichte, die Überlebende von sexueller Gewalt in unserem Strafjustizsystem erkämpft haben“.

Auslöser von #MeToo

Ohne Weinstein hätte es die #MeToo-Bewegung nicht gegeben. Losgetreten wurde die Debatte im Oktober 2017, als die Schauspielerin Ashley Judd und andere Frauen erstmals in der „New York Times“ gegen den mächtigen Filmproduzenten auspackten. Weitere Frauen folgen ihrem Beispiel, indem sie in der Zeitschrift „The New Yorker“ von ihren Erlebnissen erzählten. Auch sie warfen Weinstein sexuelle Übergriffe vor. Unter dem Hashtag #MeToo forderte daraufhin Schauspielerin Alyssa Milano betroffene Frauen auf, ihre eigenen Erfahrungen zu teilen, um auf das generelle Ausmaß der sexuellen Belästigung und sexueller Übergriffe aufmerksam zu machen. In der Folge wurden weitere einflussreiche Leute angeprangert, gefeuert oder angeklagt. Allen voran Oscar-Preisträger und „House of Cards“-Star Kevin Spacey.

Seit 2017 haben mehr als 80 Frauen Weinstein öffentlich sexuelle Übergriffe vorgeworfen. Seit 2020 sitzt der Hollywood-Mogul, der mit seiner Firma Erfolgsfilme wie „Der englische Patient“, „Pulp Fiction“, „Good Will Hunting“ oder „Gangs of New York“ produziert hat, wegen seiner Sexualstraftaten in Haft. Das Verfahren markierte einen Meilenstein der Rechtsgeschichte. Jetzt wurde es aufgehoben. Doch die Folgen der #MeToo-Bewegung sind nicht mehr rückgängig zu machen. Das Bewusstsein hat sich geändert. Nicht nur in der Filmbranche. 

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