Börse

Der Kapitalmarkt leidet unter fehlendem politischen Willen

Für heuer stehen wieder einige IPOs an der Wiener Börse an.
Für heuer stehen wieder einige IPOs an der Wiener Börse an. APA / APA / Roland Schlager
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Die Wiener Börse zieht eine positive Bilanz für das abgelaufene Jahr 2023. Dass die wichtigsten Börsengänge zuletzt allesamt in den USA stattgefunden haben, sorgt dennoch für Beunruhigung.

Die Politik muss stärker an den Finanzmarkt glauben. Der heimische Kapitalmarkt leide nämlich unter der fehlenden politischen Unterstützung. Zu diesem Fazit kommt Heimo Scheuch, Aufsichtsratsvorsitzender der Wiener Börse und CEO der Wienerberger, bei der Bilanzpressekonferenz der heimischen Börse. .

Immer mehr Österreicherinnen und Österreicher finden zwar den Weg an die Börse. Die Zahlen sind im internationalen Vergleich aber trotzdem niedrig, nur 27 Prozent der heimischen Bevölkerung hält Wertpapiere. Das sind rund 2,1 Millionen Finanzmarktteilnehmer. Dabei interessiert sich der Großteil (20 Prozent) vor allem für ETFs, also Exchange Traded Funds. Nur 14 Prozent der Österreicher verfügen über Einzelwerte und damit Unternehmensaktien.

Die Bilanz der Wiener Börse für das vergangene Jahr fällt positiv aus, das Ergebnis vor Steuern landete bei 47,9 Millionen Euro, nach 47,3 Millionen Euro im Vorjahr. Bemerkenswert ist dabei aber, dass die Aktienumsätze der Gruppe deutlich gesunken sind: 66 Milliarden Euro betrugen sie im Jahr 2023. Zuvor, im Jahr 2022, lag die Zahl noch bei 87 Milliarden Euro. Die zurückhaltende Handelsaktivität beschränkte sich aber nicht nur auf den österreichischen Finanzmarkt, sondern fand global statt: hohe Zinsen und eine schwächelnde Konjunktur sind kein Umfeld, in dem sich Investoren wohlfühlen.

Das dennoch positive Ergebnis kam vor allem aufgrund der Diversifizierung der Geschäftstätigkeit zustande. Das betrifft vor allem das gut laufende Geschäft mit Daten. Die Wiener Börse stellt die IT für fünf Börsen (Wien, Prag, Laibach, Budapest, Zagreb) und Marktdaten und Indizes für elf Märkte zur Verfügung. Darüber hinaus laufe das Geschäft mit Anleihen-Listings gut, sagte Christoph Boschan, CEO der Wiener Börse.

Enttäuschung über fehlende Behaltefrist

Einmal mehr appellierten Boschan und Scheuch an die Politik und da vor allem zum Thema Behaltefrist. Das Regierungsprogramm enthält diesen Punkt schon seit Amtsantritt, kurz vor Ablauf der Regierungsperiode wurde sie noch nicht umgesetzt. Eine Einigung mit dem grünen Koalitionspartner blieb laut Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) bisher aus.

Gemäß Kritikern würden von einer Abschaffung der Kapitalertragsteuer auf Wertpapiere vor allem Reiche profitieren und Kapitalgewinne noch stärker gegenüber Arbeitseinkommen bevorzugt. Auch eine von Brunner vorgeschlagene Behaltefrist von zehn Jahren überzeugte den Koalitionspartner nicht. Die politische Kraft zur Veränderung fehlt, zieht Scheuch ein Fazit. Wie das jüngst veröffentlichte Aktienbarometer zeigt, investieren auch Menschen mit niedrigen Einkommen. Von den rund 2,1 Millionen Menschen in Österreich, die Wertpapiere besitzen, verdienen 1,3 Millionen weniger als 3000 Euro brutto.

Der US-amerikanische Kapitalmarkt hängt Europa ab

Der Finanzmarkt der Vereinigten Staaten hat Europa mittlerweile abgehängt. Die wichtigsten Börsengänge 2023 fanden allesamt in den USA statt. Etwa das größte IPO (Initial Public Offering), das im vergangenen Jahr über die Bühne ging: der Börsegang des britischen Chipdesigners Arm. Aber auch deutsche Traditionsfirmen wie Birkenstock entschieden sich bei der Wahl für den Börsenplatz nicht für Europa. Auch sie haben den Gang auf das Börsenparkett in New York gewagt.

Während sich in den USA viele Unternehmen über den Kapitalmarkt finanzieren, sind es in Europa meist die Bankkredite. Eine Kapitalmarktunion sollte die Lösung sein, ins Spiel gebracht wurde die Idee schon vor einigen Jahren, eine Umsetzung hat bis heute noch nicht stattgefunden. Als Scheingefechte bezeichnet Boschan die Diskussionen darüber. Die Probleme liegen nicht bei der Kapitalmarktunion, sondern in den einzelnen Nationalstaaten selbst, sagt Boschan. Es brauche privates Geld am Markt, und dazu solle hier das Kapital eingesammelt werden. Ein starkes Europa könne der USA auch wieder die Stirn bieten.

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