Der Fluch der afrikanischen Ressourcen

Korruptionsfalle. Afrika erlebte schon einmal einen Rohstoff-Boom: in den 70er Jahren. Doch nach ein paar Jahren ging es – außer den Eliten – den Menschen noch schlechter als davor. Kann es diesmal anders kommen?

In Accra, der Hauptstadt der ehemaligen Goldküste, knallten die Champagnerkorken. Öl, endlich Öl. Ganz Ghana war begeistert. Vor der Küste des westafrikanischen Staates war die britische Firma Tullow im Juni dieses Jahres auf 600 Millionen Barrel Leichtöl gestoßen. „Mit diesem Schuss Öl in den Arm werden wir fliegen“, erklärte Ghanas Präsident John Kufour und sah sich schon einen „afrikanischen Tiger“ reiten. Kurze Zeit später wurde ein Professor aus Oxford eingeflogen – kupferfarbenes Haar, rotgesichtig, verschroben, mit einem Hang zu Offenheit, der an Exzentrik grenzt: Paul Collier. Er sah die Dinge nüchterner als Präsident Kufour, sehr viel nüchterner. Denn der britische Star-Ökonom hatte wie kaum ein anderer den „Fluch der Ressourcen“ studiert, der über Afrika liegt.

Und deshalb fragte er sich und die Verantwortlichen in Accra, ob das Öl nun auch Ghana, dieses für afrikanische Verhältnisse leidlich gut regierte Land korrumpieren werde. Colliers Erkenntnis ist schnell erklärt; er hat sie jüngst auch beim Forum Alpbach präsentiert. Schon einmal, in den 70er Jahren erlebte Afrika einen Rohstoffboom. In den ersten sieben Jahren schien die gesamte Wirtschaft zu profitieren. Doch langfristig wurde alles nur noch schlimmer als vorher. Der Effekt ist seit langem als „holländische Krankheit“ bekannt. Steigt die Rohstoffproduktion – in den Niederlanden war es in 60er Jahren Erdgas – allzu rasant an, führt dies zu einer Überbewertung der Währung, zu Inflation, zur Verkümmerung anderer Wirtschaftszweige. Sinken die Rohstoffpreise, folgt der Absturz in Rezession und exorbitante Verschuldung.

In Afrika kommt erschwerend hinzu, dass korrupte Eliten immer noch jede goldene Gelegenheit genutzt haben, um abzusahnen. Gefragt wäre also „Good governance“, gutes Regieren. Nicht unbedingt Demokratie allein, wie Collier herausfand. Denn demokratische Institutionen kann ein Geldregen schnell zersetzen. Es muss Checks and Balances geben, ein Kontrollsystem wie in Norwegen, dessen Öl- und Gasreichtum segensreich und nicht zerstörerisch wirkte.

In Nigeria verschwanden 400 Mrd. Dollar

Anders als in Norwegen lief es in Nigeria, wo schon in den 50er Jahren Erdöl gefunden wurde. Von 1960 bis 1999, so berechnete Nigerias neu eingesetzte Wirtschafts- und Finanzverbrechens-Kommission, stahlen die Herrscher des Landes 400 Milliarden Dollar an Erdöleinkünften. Korruption, Ungleichheit und soziale Spannungen kennzeichnen mehr denn je die Lage im 140-Millionen-Staat Nigeria, dem größten Erdölproduzenten Afrikas und wichtigsten afrikanischen Lieferanten der USA. Sabotage und Angriffe auf Förderanlagen im Niger-Delta führen regelmäßig zu Produktionsausfällen.

Die Gier nach Öl, Gold und Diamanten stürzte Afrika auch immer wieder in blutige Bürgerkriege: Liberia, Sierra Leone, Angola und den Kongo (vier Millionen Tote). Ein aktueller Erdölfund macht Professor Collier deshalb besondere Sorgen: Mitten im Albertsee, genau an der Grenze zum Kongo trafen australische Öl-Explorateure auf ugandischem Territorium ins Schwarze. Es kam bereits zu Schießereien zwischen Soldaten aus dem Kongo und Uganda.

Auch in Angola ist nicht für alle Gold, was nun glänzt. Erdöl im Wert von 30 Milliarden Dollar hat das ehemalige Bürgerkriegsland vergangenes Jahr exportiert, vier Mal so viel wie noch 2002. Monat für Monat schraubte sich die Förderquote in die Höhe; seit Jänner ist Angola Mitglied der Opec. Mit nur 13 Millionen Einwohnern könnte doch in Angola das Wunder gelingen, meint man. Doch schon ist von Korruption zu hören. Und immer noch muss die Mehrheit der Angolaner mit weniger als zwei Dollar pro Tag auskommen, wie fast die Hälfte aller Menschen, die südlich der Sahara leben.

Auch der Osten Afrika wird langsam von Goldgräberstimmung erfasst. Es wird gebohrt wie nie. Erdölfirmen rechnen sich Chancen in Madagaskar, Kenia, rund um die Seychellen und bei Sansibar aus. Mit Öl gesegnet ist aber vor allem der Westen, Angola, Äquatorialguinea, Nigeria.

Lichtblick in Botswana

Doch wie kann nun verhindert werden, dass der Ölsegen wieder zum Fluch wird? Der britische Wissenschaftler Collier empfiehlt Folgendes: Regierungen sollten Bohrrechte in Auktionen an Bestbieter vergeben, kurzfristigere, aber verlässliche Förderverträge abschließen, Transparenz bei den Öleinahmen herstellen, Sparfonds einrichten und vernünftige Investionsentscheidungen treffen. Zudem rät Collier zu einem internationalen Verhaltenscode, an dem sich Staaten und Unternehmen orientieren. Als Vorbild gilt der Kimberley-Prozess, der das Diamanten-Geschäft sauberer machte und damit auch zur Erfolgsstory Botswanas beitrug. Das kleine Land im Süden Afrikas ist heute ein Beispiel dafür, dass sich der Fluch der Ressourcen auch bannen lässt.

Ähnliches hatte Colliers namhafter US-Kollege Jeffrey Sachs in São Tome and Principe vor, einer Inselgruppe im Golf von Guinea, die auf Milliarden Fässern Öl sitzt. Doch erste Korruptionsfälle wurden bekannt, bevor ein Tropfen Öl auf den Markt kam. Auch im Tschad hatten wohlmeinende Berater große Pläne für ein 4-Milliarden-Pipeline-Projekt. Um Korruption zu verhindern, sollten die Einkünfte über ein Londoner Konto laufen und zehn Prozent für zukünftige Generationen gebunkert werden. Vier Fünftel des verbleibenden Geldes sollten für Bildung, Infrastruktur, Gesundheit und Soziales verwendet werden. Ein edler Plan. Bis Präsident Idriss Deby mit seiner ersten Tranche Waffen kaufte, um sich gegen Rebellen aus dem benachbarten Darfur zu verteidigen, und das schöne Londoner Konto samt Zukunftsfonds auflöste.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2007)

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