Gute Adressen: Von Zugpferden und kleinen Unterschieden

Zinshaus in Wien
Zinshaus in Wien(c) Conwert
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Wie Investoren, Bauträger oder Makler Renommee definieren und in fremden Ländern, etwa im Osten, finden.

Die gute Lage: Kein Immobilienangebot, keine Analyse, kaum ein Artikel kommt ohne diesen Begriff aus. Was aber macht eine Lage zur guten, gar zur renommierten? Und wie gehen Immobilienprofis, ob Makler, Bauträger oder Investoren vor, um derartige Adressen, egal, ob für Wohn- oder Gewerbeobjekte, von anderen zu trennen und fernab der Heimat zu entdecken?

Wenn es um das Wohnen geht, ist es noch relativ einfach. Adressen, die man gerne vor Freunden und Geschäftspartnern nennt, liegen meist im oder um das Zentrum, glänzen mit guter Anbindung, der Nähe zu Oper, Dom oder Theater, feiner Nahversorgung vom Schinken bis zum Schuh. Und das gilt in Wien genauso wie in Berlin, Bratislava oder Budapest.

„Sind dann auch die Gebäude links und rechts vom Objekt sehr schön, stimmen Qualität und Standard des Hauses, hat es Ambiente und Flair, kann man von Renommee sprechen“, sagt Johann Kowar, CEO der Conwert Immobilien Invest AG, vor allem aktiv bei hochwertigen Altbau-Wohnimmobilien.

Lokales Wissen anzapfen

Spannend werde die Lage-Frage natürlich in Städten, die sich gravierend verändern oder verändert haben, etwa in Berlin, Leipzig oder Dresden. Dort gelte es nicht nur, Objekte an traditionellen, gewachsenen guten Adressen zu finden, es müssen auch Verschiebungen, Nachfragetrends und Entwicklungen der Infrastruktur beobachtet werden. Die Informationen holt man sich dabei anfangs bei Partnern vor Ort, berichtet Kowar. „Erst hatten wir Kooperationen mit lokalen Experten, mittlerweile beschäftigen wir auch eigene Leute, die aus den jeweiligen Ländern stammen.“

Makler halten es ähnlich, wenn es darum geht, renommierte Lagen auszumachen. Auch bei der CPB Immobilientreuhand setzt man auf Experten aus den lokalen Märkten oder eigene Mitarbeiter mit entsprechendem Background. Ob Bukarest, Budapest oder Warschau: „Begehrte Wohnlagen befinden sich entweder bei der Innenstadt oder weiter außerhalb in Grünruhelagen“, sagt Michael Ehlmaier, Geschäftsführer der CPB Immobilientreuhand.

Anders sieht das Ganze aus, wenn man Bürostandorte betrachtet. Um einiges wichtiger noch als bei Wohnadressen „ist hier die Anbindung, sowohl was öffentliche Verkehrsmittel als auch den Privatverkehr betrifft“, so Ehlmaier. Und nicht zu vergessen: die Nachbarschaft, also die weiteren Mieter in einem Komplex oder Business Center. „Hat man für einen neuen Standort eine prominente Firma als Zugpferd, ist schon viel gewonnen“, erklärt der Makler. „Frei nach dem Motto: ,Die werden schon wissen, was sie tun'“.

Landmarks setzen

Für Developer Reinhard Schertler, Vorstand der S+B Gruppe AG, zählen bei Bürostandorten neben harten Standortfaktoren – der Lage in der Stadt etwa – auch andere Aspekte. Wie die Sichtbarkeit und Wiedererkennbarkeit eines Komplexes. „Ist es möglich, unverwechselbare Architektur zu schaffen, Landmarks zu setzen, kann das viel dazu beitragen, aus einer schlichten Lage eine gute Adresse zu machen.“ Beispiele für derartige Effekte sind für ihn das T-Mobile-Center in St. Marx oder auch der Uniqa-Tower bei der Urania.

Was in CEE-Ländern wie Polen oder Rumänien anders ist? „Dort kann man sich nur wenig an gewachsenen Bürostandorten orientierten. Regelrechte Büroachsen wie in Wien oder München gibt es nicht.“ Sein Rezept, um gute Lagen zu definieren: „Nicht nur aktuelle Entwicklungspläne ansehen, sondern auch die Geschichte der Stadt studieren, und viele Gespräche vor Ort führen.“

Und außerdem müsse man mit Unterschieden rechnen. In Bukarest etwa ist die U-Bahn-Station in der Nähe des Büros gar nicht so wichtig. „Die Leute fahren mit dem Auto, die U-Bahn ist nicht schick.“ Nichtsdestotrotz achten speziell internationale Developer auf die Anbindung. Nicht nur aus ökologischen Überlegungen, sondern auch „weil Endinvestoren darauf Wert legen“, weiß Schertler. Und weil es irgendwann auch dort ganz ok sein wird, ein öffentliches Verkehrsmittel zu nutzen.

LAGE-FRAGEN.

Wohnen: Renommierte Adressen sind für Bauträger, Makler und Investoren vor allem zentrumsnahe Lagen in repräsentativer Nachbarschaft, mit Flair und Ambiente – Faktoren, die in Wien genauso gelten wie in Berlin, Leipzig oder Prag.

Gewerbeimmobilien: Hier zählt noch stärker als bei Wohnobjekten die Anbindung an den öffentlichen Verkehr, außerdem gelten prominente Firmen, die sich bereits eingemietet haben, als Zugpferde für eine gute Adresse. Was darüber hinaus für Renommee sorgt: der Standort in einer Stadt und unverwechselbare Architektur.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.03.2008)

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