Wirtschaftsuni: Mahnmal mit Namen der Vertriebenen

(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
  • Drucken

Stählerne Weltkugel aus den Namen von 120 vertriebenen Studenten und Mitarbeitern erinnert an die Geschichte der WU in der NS-Zeit.

Am Campus der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) erinnert ab sofort ein Mahnmal an Studenten und Mitarbeiter, die in der NS-Zeit von der früheren Hochschule für Welthandel (HWL) vertrieben wurden. Am Donnerstag, exakt 69 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges, wurde die Skulptur, bei der die Namen von fast 120 Vertriebenen zu einer Weltkugel verbunden sind, in einer feierlichen Zeremonie enthüllt.

Die Vertreibung nach dem "Anschluss" Österreichs an Nazi-Deutschland hatte damals massive Auswirkungen auf die HWL: Jüdische Studenten wurden von Studien und Prüfungen ausgeschlossen, Dozenten und Verwaltungsangestellte entlassen und akademische Grade aberkannt. 150 der damals 750 Studenten sowie ein Fünftel der damals rund 50 Mitarbeiter waren betroffen, berichtet der Leiter des Instituts für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der WU, Peter Berger. Neben 80 Personen, die laut den Nürnberger Rassegesetzen als Juden eingestuft wurden, finden sich auch die Namen politisch Verfolgter auf der Skulptur. Nur eine einzige Person sei nach 1945 nach Österreich zurückgekommen, so Berger.

"Das Mahnmal soll bewegen"

Schon vor dem "Anschluss" seien jüdische Studenten mit Billigung oder stillschweigender Duldung von Rektoren und Professoren diskriminiert, schikaniert und sogar physisch misshandelt worden. Die Folge laut Berger, der seit zwei Jahren mit Johannes Koll die Geschichte der HWL vor und in der NS-Zeit erforscht: Der Anteil an jüdischen Hörern, der etwa 1920/21 noch bei 50 Prozent lag, ging bis 1938 deutlich zurück.

"Das Mahnmal soll bewegen und künftige Generationen von Studenten daran erinnern, was hier passiert ist. Und es soll Anreiz sein, sich im besten Sinne politisch zu engagieren, damit nie wieder so etwas passieren kann", beschrieb WU-Rektor Christoph Badelt bei einer Pressekonferenz die Beweggründe für die Aufstellung des Denkmals gegenüber vom Herzstück des Campus, dem Library and Learning Center von Zaha Hadid.

"Wenige Tage, an denen ich so stolz war"

Eva Blimlinger, Historikerin und Rektorin der Akademie der Bildenden Künste in Wien, an der der Wettbewerb für die Gestaltung des Mahnmals stattgefunden hat, hob die Symbolik der Skulptur von Alexander Felch hervor: Der freigelassene Platz in der stählernen Weltkugel ermögliche, jederzeit Namen von weiteren Vertriebenen, die im Rahmen der Forschungen entdeckt werden, hinzuzufügen. "Und er ist ein Zeichen, dass es kein Ende des Erinnerns gibt." Für den Forscher Berger gab es laut eigener Aussage in seinen 35 Jahren an der WU "wenige Tage, an denen ich so stolz auf diese Uni war": "Ich glaube, das ist ein großer Moment für diese Hochschule."

Auslöser für das Forschungsprojekt zur NS-Geschichte an der WU war laut Badelt die Initiative der Tochter eines früheren HWL-Studenten, der unter den Nazis trotz bereits approbierter Dissertation nie seinen Doktor machen durfte und schließlich in die USA emigriert war. "Das Thema ist offen geblieben und er hat sich sein Leben lang ungerecht behandelt gefühlt", so Badelt. Nachdem eine posthume Verleihung des Doktortitels juristisch nicht möglich gewesen sei, habe die WU diesen Fall zum Anlass genommen, in einem Forschungsprojekt die Schicksale der Vertriebenen zu dokumentieren und auch versucht, Kontakt zu noch lebenden Betroffenen aufzunehmen.

Webseite mit Forschungsergebnissen

Auf einer mehrsprachigen Internetseite werden seither die Forschungsergebnisse gesammelt, die Forscher hoffen dabei auf weitere Informationen durch Verwandte oder Bekannte von Betroffenen. "Es ist sehr schwer herauszufinden, was mit den Menschen nach dem Anschluss passiert ist", verwies Berger auf den großen Anteil an (meist jüdischen) Studenten polnischer Staatsbürgerschaft. Doch er berichtete auch von Erfolgen: So konnte mit einem mittlerweile 96-jährigen Betroffenen, der mittlerweile in Malta lebt, Kontakt aufgenommen werden.

>>> Zur Homepage mit Forschungsergebnissen

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

GEDENKVERANSTALTUNG ANL. BEFREIUNG VOM NS-REGIME UND DER BEENDIGUNG DES ZWEITEN WELTKRIEGS IN EUROPA: FAYMANN
Zeitreise

Regierungsgedenken: "Wir haben gelernt aus der Geschichte"

8. Mai. Beim Festakt zum Kriegsende würdigten Faymann, Spindelegger und der jüdische Künstler Arik Bauer das "Friedensprojekt EU".
'FEST DER FREUDE' AM WIENER HELDENPLATZ: FAYMANN
Zeitreise

8. Mai: "Fest der Freude" im Zeichen der EU-Wahl

Die Wiener Symphoniker spielten am Jahrtag des Weltkriegsendes unter der Leitung von Bertrand de Billy auf dem Heldenplatz.
Innenpolitik

Kriegsende am 8. Mai: Neues Mahnmal an WU

Mit einer Rede von Arik Brauer gedachte man im Bundeskanzleramt des Kriegsendes.
Mahnwache des Bundesheeres
Zeitreise

8. Mai als Feiertag? Für Minister Klug vorstellbar

Das Bundesheer hält eine Mahnwache zum Gedenken an die NS-Opfer ab. Der Verteidigungsminister sieht darin ein politisches Signal an rechte Gruppen.
Zeitreise

Kärnten: Gedenktafel für Nazi-Opfer am Landtag enthüllt

Das Schild, auf dem die Namen von ermordeten Landtagsabgeordneten angebracht sind, "soll ein unverrückbares Mahnmal gegen Gewalt und Rassismus sein".

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.