Ein SPÖ-Bezirksrat bekommt Parteiarbeit vom Dienstgeber Wiener Netze bezahlt. Das ist kein Einzelfall. Wie viele Fälle es gibt und was das kostet, sagt Wiens SPÖ nicht: Die Erhebung sei zu aufwendig.
Wien. Staat und Stadt müssen sparen. Basis dafür sind normalerweise solide Zahlen über die eigenen Ausgaben. Tatsächlich scheint es - im konkreten Fall in Wien - jedoch Positionen im Budget zu geben, über die die Regierung eigentlich gar nicht so genau Bescheid wissen will. Die Schonung der eigenen Mitarbeiter - Stichwort: bis heute nicht umgesetzte Pensionsreform - hat in der Hauptstadt Tradition.
Nun stehen Beamtenprivilegien im Fokus. Tatsächlich gesteht die Dienstordnung für Gemeindemitarbeiter (Beamte und Vertragsbedienstete) diesen das Recht zu, während der Arbeitszeit politischen Tätigkeiten nachzugehen. Bei vollen Bezügen. Die Opposition, präziser, der Klub der ÖVP, wollte Ende Februar von der Stadtregierung wissen, wie viele Beamte das nutzen, welchen Parteien sie angehören. Antwort: keine.
Adressatin der Anfrage war die für Personalfragen zuständige Stadträtin Sandra Frauenberger. Sie begründet die Nichtauskunft damit, dass zur Erhebung nicht nur im Rathaus, sondern in allen ausgelagerten, aber im Eigentum der Stadt stehenden Unternehmen hätte recherchiert werden müssen. Auch dort sind Beamte und Vertragsbedienstete tätig, für die die Dienstordnung gilt. Nur wäre eine solche Erhebung leider „mit einem unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand verbunden". Eine Antwort, die Wiens Opposition im Gemeinderat bei unangenehmen Fragestellungen öfter zu hören bekommt. Ebenfalls bemerkenswert an Frauenbergers Schreiben ist, dass sie, obwohl sie nach eigener Auskunft und aus zuvor genannten Gründen keine Details nennen kann, die maximal zulässige Dauer von zwei Monaten dafür brauchte, um diese Absage zu erteilen.
Ausgangspunkt für die Episode im Gemeinderat war ein Bericht der „Presse" Ende Jänner. Der Artikel machte transparent, dass ein SPÖ-Bezirksrat aus Simmering gleich 40 Prozent seiner Arbeitszeit bei den Wiener Netzen in Wahrheit für die Partei verwendete. Bei vollen Bezügen, und eine Zeit lang auch mit dem Dienstauto des städtischen Unternehmens. Das Fahrzeug steht ihm inzwischen nicht mehr zur Verfügung. Für Aufregung sorgten zudem die Aussagen des Vorgängers des Mannes. Dieser gab nämlich an, dass diese Tätigkeit keineswegs 16 Stunden die Woche, sondern maximal 16 Stunden pro Quartal beansprucht habe. Da er selbst in der Privatwirtschaft tätig sei, habe er sich für diese Dauer immer Urlaub genommen.
Wiens SPÖ reagierte auf die Bekanntmachung der Umstände mit Kritik, bezeichnete den Bericht als „Diffamierung politischer Arbeit". Zeitgleich äußerte sich der eigene Koalitionspartner, die Grünen, vorsichtig kritisch. Man schlug vor, dass künftig Beamte und Vertragsbedienstete für politische Tätigkeiten genauso freinehmen müssen wie Angestellte privater Unternehmen.
Experte sieht Finanzdelikt
Deutlichere Worte kamen vom bekannten Finanzrechtler Werner Doralt. Er vertrat die Ansicht, dass die Freistellung eines Beamten in einem Unternehmen, das zwar der Stadt gehört, sich formal aber außerhalb des Magistrats und im Wettbewerb befindet, rein rechtlich einer verdeckten Gewinnausschüttung entspreche. Eine Auslegung, die die betroffenen Wiener Netze bis heute nicht teilen.
Und die offenbar so brisant ist, dass sie von der Stadtregierung lieber gar nicht erst diskutiert wird. In der Anfrage an Stadträtin Frauenberger wollte die ÖVP nämlich noch zusätzlich wissen, wie das Rathaus Doralts Expertise bewerte. In diesem Fall bemühte man sich bei der Nichtbeantwortung nicht einmal um eine Begründung. Die Frage wurde schlichtweg ignoriert.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 15. Mai 2014)