Dachgärten: Inseln im Häusermeer

Freiraum. „Verborgener Garten“ über Wiens Dächern
Freiraum. „Verborgener Garten“ über Wiens Dächern(c) Beigestellt
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Dachgärten verdienen mehr als ein paar Topfpflanzen. Wie man sich seine „Etage vert“ richtig einrichten kann.

Badeplatz. Abkühlen in luftiger Höhe, geplant von Stalzerlutz.
Badeplatz. Abkühlen in luftiger Höhe, geplant von Stalzerlutz.(c) Beigestellt

So sprachverwirrt die alten Babylonier auch gewesen sein mögen, so visionär waren sie, was urbane Lebensraumgestaltung betrifft: Je nach Quelle zwischen 40 und 120 Meter lang sollen die Hängenden Gärten der Semiramis gewesen sein, die, so sie existierten, stufenförmig das Dach von König Nebukadnezars Palast bewuchsen.

Während Paläste etwas aus der Mode geraten sind, liegen Dachgärten im Trend. „Prinzipiell gewinnt das Dach als Freiraum an Bedeutung, weil das Wohnen, vor allem in der Stadt, immer dichter wird“, sagt Lilli Licka vom Landschaftsarchitekturbüro Koselicka. Die Entwicklung ginge sehr stark in Richtung Nutzgärten, in denen gezogen wird, was essbar ist. „So sind auch immer häufiger Dinge wie Glashäuser auf dem Dach vorgesehen, zumindest in den Plänen. In die Realität umgesetzt wird das allerdings noch nicht oft.“ Kollektives Zupfen und Graben entspricht dabei durchaus dem Geist der Zeit. In der obersten Stadtetage entwickeln sich auch hie und da Grünflächen, die mehr als einer Partei im Haus zur Verfügung stehen.

Aber nicht nur im urbanen Raum, auch auf dem Land werden Dachgärten beliebter. Dafür sieht Lilli Licka zwei Hauptgründe: „Zum einen hat man die Intimität, die abgeschlossen auf einem Haus sicher noch besser erreicht werden kann. Ein zweiter Grund ist natürlich die Aussicht, die Freiheit des Luftraumes.“ Geschüttete Gründächer, also mehrschichtige Rasenflächen auf Dachniveau, wie sie etwa der Wiener Verband für Bauwerksbegrünung propagiert, bleiben dennoch eine Ausnahmeerscheinung, sagt Gärtnermeister Walter Langeder von Simply Garden. Das Anlegen ist arbeitsintensiv, nicht ganz billig und heikel: Die Dachhaut muss dicht bleiben.

Am häufigsten zu finden sind nach wie vor begrünte Dachgärten, die mithilfe von Töpfen, Kübeln und Kisterln urbar gemacht werden. Von deren Aussehen hätten seine Kunden meist genaue Vorstellungen, erklärt Langeder, manchmal sogar nur davon, was bei der Auswahl nicht verwundert: Sie reicht von klassisch-robusten Edelstahl- und Faserzementtrögen über praktisch-leichte Plastiktöpfe bis hin zu eleganten Holzmodellen. Und in den Töpfen? Mit Pampas- oder Federgras erlebt man vielleicht das, was im Gärtnerjargon „zweite Blüte“ genannt wird: „Wenn sie frieren, hat man Frostkristalle auf den Blüten. Das schaut sehr apart aus“, sagt Langeder. Eine unkomplizierte Möglichkeit sind die traditionellen Kräuterstöcke wie Lavendel, Rosmarin, Thymian oder das stets präsente Basilikum.

Feuer auf dem Dach. Und wenn die Gewürze in luftiger Höhe wachsen, kann dort doch auch gleich gekocht werden. „Die Entwicklung geht sehr stark in Richtung draußen leben“, so Ulrike Seher von Gruenhoch3. Im Zuge dessen wird dort gesessen, gelegen und geloungt, gekocht und gegessen, gar geduscht und geschwommen. „Wir sind in der Planungsphase für eine Terrasse, auf der wir ein kleines Schwimmbecken positionieren werden“, sagt Seher. Die passende Möblierung für ein Leben im Stadtdschungel müsse natürlich robust und wetterfest, gleichzeitig aber elegant und darüber hinaus noch multifunktional sein. Denn man dürfe nicht übersehen, dass auf einer Gartenterrasse etliches zu verstauen ist, wie Erdsäcke, Gartenwerkzeug oder Polster. Seher verweist auf das selbst entwickelte aufklappbare Sitzmöbel Sitting-in. Bei aller Wohnlichkeit soll die Terrasse aber doch den Eindruck von Naturverbundenheit vermitteln. Seher erlebt eher eine Abkehr von strenger Bepflanzung: „Man wünscht sich Natürlichkeit und Lebendigkeit.“ Oft, so Seher, sei bei der Gestaltung auch die umgebende Landschaft eine Inspirationsquelle, „die sich dann in der Idee widerspiegelt“.

So geschehen beim Projekt Roof Top Beach, einer Dachterrasse, die sich über zwei aneinandergrenzende, dreigeschoßige Wohnungen in Wien erstreckt. Und wie es von einem anständigen Strand erwartet werden kann, bietet er Meerblick: „Vorgegeben war nur ein schräges, transparentes Glasgeländer parallel zur Fassade und für jede der beiden Terrassen ein Pool“, sagt Clemens Lutz vom Landschaftsarchitekturbüro Stalzerlutz, das für die Planung und Umsetzung verantwortlich zeichnet. „Wir finden es nicht sinnvoll, vor das Geländer Pflanzen zu setzen, denn ich hab ja ein Glasgeländer, damit ich hinaussehen kann. Und was man sieht, ist das Häusermeer.“ Sämtliche Möbel sowie die Technikverbauten für die Bassins sind Maßanfertigungen, eine „ziemlich ausgetüftelte Millimeterarbeit“, erklärt Lutz. Bei der Gestaltung sei immer die Abstimmung mit dem Gesamtkonzept im Vordergrund gestanden, das sich hier über alle drei Stockwerke erstreckt: „Wenn ich hinuntergehe, gelange ich immer tiefer in eine Art Schlucht zwischen den Häusern. Und je tiefer ich komme, umso üppiger und grüner wird es.“

Tipp

Pflanzen. Sonnenhungrige, robuste Pflanzen. Auf Winterhärte achten! Regelmäßige Bewässerung mit automatischem Bewässerungssystem oder einer Zisterne mit Tauchpumpe.
Boden. Beim Verlegen eines Holzdecks Stellen, an denen später Pflanzgefäße aufgestellt werden, aussparen, da diese nicht direkt auf dem Holz stehen sollten. Andererseits können Kabel und Schläuche für Bewässerungsanlagen, Lampen und andere Vorrichtungen unter dem Holzboden verlegt werden.
Sonnenschutz. Achtung: Das nachträgliche Montieren, etwa eines Sonnensegels, ist sehr aufwendig und manchmal schlicht unmöglich.

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