Die Taliban ließen den 28-jährigen Feldwebel Bowe Bergdahl ziehen. Zugleich durften fünf Ex-Taliban-Mitglieder Guantánamo Bay verlassen. Der Gefangenenaustausch ist umstritten.
Ein Soldaten-Schicksal bewegt dieWelt
Washington. Am 30. Juni 2009 verschwindet Feldwebel Bowe Bergdahl in der afghanischen Provinz Paktika unter mysteriösen Umständen. Am 18.Juli 2009 taucht er, sichtlich verängstigt, in einem Taliban-Propagandavideo wieder auf. Nun, knapp fünf Jahre später, darf der 28-Jährige in die USA zurückkehren – im Austausch für fünf vormals hochrangige Taliban-Mitglieder des US-Gefangenenlagers Guantánamo Bay. Zunächst wurde Bergdahl aus Afghanistan in das US-Lazarett im deutschen Landstuhl geflogen.
Die US-Regierung inszeniert die Heimkehr minutiös. Als Bowes Eltern am Telefon von der Freilassung ihres einzigen Sohnes erfahren, ist am anderen Ende der Leitung US-Präsident Barack Obama höchstpersönlich. Stunden später liegen sich die Eltern Robert und Jani Bergdahl sowie Obama vor dem Weißen Haus in den Armen. Und der US-Präsident erinnert mit viel Pathos an die „unerschütterliche Verpflichtung, keine Frau und keinen Mann auf dem Schlachtfeld zurückzulassen“. Doch während Amerika Bergdahls Heimkehr feiert, hagelt es Kritik an den Bedingungen: Die Freilassung der früheren Taliban-Mitglieder setze „das Leben der US-Soldaten für Jahre aufs Spiel“, wird etwa der republikanische Abgeordnete Mike Rogers in der „New York Times“ zitiert.
Ärger gibt es auch, weil Obama den Kongress nicht wie vorgeschrieben 30 Tage im Voraus über die Freilassung der Guantánamo-Häftlinge informierte.
Unter den fünf nun freigelassenen Männern sind der einst als Taliban-Innenminister festgenommene Chairullah Chairchwa sowie ein Vize-Verteidigungsminister und -Geheimdienstchef des 2001 von den USA gestürzten Taliban-Regimes. Das Quintett wurden nach Katar geflogen. Das Golf-Emirat hatte den Deal vermittelt und soll nun auch dafür sorgen, dass von den Freigelassenen keine Gefahr mehr ausgeht. Taliban-Chef Mullah Omar feierte den Gefangenenaustausch als „großen Sieg“.
Fraglich ist, ob sich dadurch auch ein Verhandlungsfenster für einen Frieden am Hindukusch öffnet. Offiziell dämpften die Islamisten solche Erwartungen: Es habe sich nicht um einen „politischen Vorgang“ gehandelt, zitierte die Agentur AFP einen Taliban-Sprecher. In der Vorwoche hatte Obama seinen Plan für die Zeit nach 2014, also dem offiziellen Ende des US-Kampfeinsatzes am Hindukusch, skizziert: Zunächst bleiben 9800 Soldaten im Land, der vollständige Abzug ist für 2016 geplant.
Kritiker monieren, dass die Taliban auf Zeit spielen und Gesten wie der Gefangenenaustausch die USA in Sicherheit wiegen sollen.
Der Tausch des letzten gefangenen US-Soldaten gegen fünf Taliban-Führer erleichtert Präsident Obama den Rückzug vom Hindukusch – und schadet zugleich seiner Partei.