Kosovo: „Hebe alle Löhne um 25 Prozent an“

Kosovo´s Premier Hashim Thaçi
Kosovo´s Premier Hashim Thaçi(c) REUTERS (HAZIR REKA)
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Premier Hashim Thaçi verspricht vor der Wahl am Sonntag Autobahnen und Wohlstand. Er wirft der EU Säumigkeit bei der Visafreiheit vor und verteidigt den Dialog mit Serbien.

Die Presse: Laut den Umfragen steht uns am Sonntag die spannendste Wahl in der Geschichte des Kosovo bevor. Was sind Ihre Erwartungen?

Hashim Thaçi: Ich rechne mit einem entscheidenden Vorsprung und sehr überzeugenden Sieg der PDK. Denn unser Programm kommt an. Und die Leute nehmen mir meine Versprechen ab, in der nächsten Legislaturperiode 200.000 neue Jobs zu schaffen.

Die Prognosen sehen Ihre Demokratische Partei des Kosovo (PDK) vorn. Doch Ihre Konkurrenten schließen eine Koalition mit Ihnen aus. Fürchten Sie, dass Sie als Wahlgewinner in der Opposition landen könnten?

Nein. Wir sind im Wahlkampf – und andere Verlautbarungen wären von meinen Gegnern auch kaum zu erwarten. Aber nach der Wahl werden diese mit Sicherheit anders aussehen.

Würden Sie eine große Koalition mit der Demokratischen Liga des Kosovo, LDK, bevorzugen? Oder tendieren Sie eher zu einem Bündnis Ihrer Partei mit mehreren kleineren Partnern?

Meine Vorliebe geht hin zu einer sehr stabilen Koalition, die auch multiethnisch sein soll: Alle Minderheiten, Serben und Nichtserben, werden in ihr vertreten sein.

Sie geloben mit Ihrem Wahlslogan eine „neue Mission“. Was soll denn anders werden?

Meine erste Mission war die der Freiheit und der Eigenstaatlichkeit. Die zweite Mission war die Etablierung des Staates Kosovo, die ich auch erfolgreich beendet habe. Darum geben mir die Menschen nun ihr Vertrauen für meine neue Mission: die Entwicklung der Wirtschaft und der Schaffung neuer Arbeitsplätze.

Wahlkampfzeit ist immer die Zeit der Versprechen. Aber wie wollen Sie all die gelobten guten Gaben denn finanzieren?

Erst vor wenigen Tagen habe ich entschieden, die Löhne aller Beschäftigten um 25 Prozent anheben zu lassen. Und dabei habe ich mich an alle Vorgaben des Internationalen Währungsfonds gehalten – obwohl die nicht begeistert sind. Ende Juni beginnen wir mit dem Bau einer neuen Autobahn von Kosovos Hauptstadt Prishtina in die mazedonische Hauptstadt Skopje. Wir verändern den Kosovo. Und ich bin überzeugt, alle meine Versprechen erfüllen zu können.

Brauchte man für eine neue Mission nicht einen neuen Kapitän?

Ich bin ein junger Kapitän – zumindest jünger als die meisten meiner Rivalen. Und es gibt keine Notwendigkeit, einen erfolgreichen Steuermann auszuwechseln. Denn der erfahrene Kapitän weiß, wie er das Schiff durch turbulente Gewässer zu steuern hat. Es stimmt natürlich, dass ich die größte Erfahrung habe – auch, was Pluralismus und Demokratie angeht. Mein größter politischer Gegner (LDK-Chef Isa Mustafa, Anm.)hat auch politische Erfahrung – aber die hat er zu Jugoslawiens kommunistischen Zeiten gemacht.

Kritiker werfen Ihnen vor, dass Sie im Nachbarschaftsdialog mit Belgrad nur Serbien den Weg in die Europäische Union geebnet, für Ihr Land aber kaum etwas herausgeholt haben.

Ich werde mich weiter für den Dialog engagieren. Denn ich glaube, dass dies der richtige Weg zu einer Normalisierung der Beziehungen zwischen dem Kosovo und Serbien ist. Natürlich habe ich dafür einen politischen Preis bezahlt. Aber meine Kritiker frage ich: Was wäre denn die Alternative zu dem Dialog als der Versuch, das Jahrhundert des Hasses zwischen Serbien und Kosovo in ein Verhältnis der guten Nachbarschaft zu kehren? Ich weiß, dass das ein Ziel ist, das erreicht werden kann. Das ist gut für den Kosovo, für Serbien – und für die gesamte Region.

Honoriert wurden Ihre Dialoganstrengungen bisher von Brüssel kaum. Selbst der Republik Moldau winkt nun der Wegfall der Visapflicht. Sind Sie von der EU enttäuscht?

Brüssel verspätet sich, was die Visaliberalisierung für den Kosovo angeht. Das ist nicht gerecht, denn wir haben alle Bedingungen dafür erfüllt. Aber für uns gibt es keine Alternative, keine andere Straße als die zur EU. Dafür bringe ich gern strategische Geduld auf.

Das internationale Interesse am Kosovo nimmt ab. Fürchten Sie, dass dem Kosovo ein ähnliches Los wie Bosnien und Herzegowina als eine in Vergessenheit geratene Dauerbaustelle drohen könnte?

Kosovo ist eine Erfolgsgeschichte. Es können keine Parallelen zu Bosnien gezogen werden. Kosovo steht auf dem sicheren Pfad der euroatlantischen Integration. Wir mühen uns erfolgreich um die Normalisierung unserer Beziehungen zu Serbien. Die Wahlen werden in ganz Kosovo abgehalten, auch erstmals im Norden. Das ist ein gemeinsamer Erfolg des Kosovo und der internationalen Gemeinschaft.

ZUR PERSON

Hashim Thaçi war während des Aufstandes gegen den serbischen Staat Ende der 1990er-Jahre der politische Direktor der kosovoalbanischen Untergrundorganisation UÇK. Seit 2007 ist Thaçi Premierminister des Kosovo. Der einstige Untergrundkämpfer hat sich zuletzt für den Nachbarschaftsdialog zwischen dem Kosovo und Serbien engagiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.06.2014)

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