Ministerrat: Torschlusspanik und „Frauenkrieg“

MINISTERRAT: SCHIEDER
MINISTERRAT: SCHIEDER(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Vor der Sommerpause herrschte Hektik in der Regierung: Kinderbetreuung und Pensionsalter-Kontrolle wurden blockiert. Strafzuschläge für Steuersünder kommen ab Oktober.

Wien. SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder schnaubte hörbar, dass seine Partei nun von Journalisten bedrängt wird, weil die Bundesregierung ausgerechnet weitreichende Sondergesetze wie jenes zur Hypo Alpe Adria am Dienstag ohne Begutachtung durch den Ministerrat peitschte.

Er schob die Schuld dafür Finanzminister Michael Spindelegger und dessen Vorgängerin Maria Fekter (beide ÖVP) zu. „Was Sie heraushören können, ist, dass wir seit Jahren über eine Bad Bank diskutieren“, diktierte der Ex-Finanzstaatssekretär den Medienleuten in Mikrofone und Schreibblöcke.

Das Hypogesetz wurde dennoch beschlossen, bei anderen Vorhaben wurde dies kurzfristig durch Blockaden vereitelt. Während im Kongresssaal Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Spindelegger nach einer nicht einmal halbstündigen Regierungssitzung betont besonnen auftraten, waren vor und nach dem Ministerrat bei einzelnen Ressortchefs das Knistern und die Anspannung spürbar, weil Gesetzesvorhaben vorerst auf der Strecke blieben.

Das gilt auch für das Sozialgesetz, mit dem ab Mitte 2014 halbjährlich eine Kontrolle („Pensionsmonitoring“) des schrittweisen Anstiegs des tatsächlichen Pensionsantrittsalters fixiert werden sollte. Obwohl dies im Koalitionspakt verankert wurde, kündigte Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) an, es werde erst im Herbst dazu kommen: „Ist ja kein Problem.“

Streit mit Wirtschaftskammer

Freilich schnaubte er dann wütend darüber, dass die Wirtschaftskammer mit ihrem Widerstand gegen das Bonus-Malus-System für ältere Arbeitnehmer das Gesetz verhindert habe. Was die Wirtschaftskammer naturgemäß wenig später mittels Aussendung strikt zurückwies. Hundstorfer hält das Hinausschieben für kein Problem, weil die Regierung im Zuge der halbjährlichen Beobachtungen laut Koalitionspakt erst Ende 2015 zum Handeln aufgefordert ist. Dies muss erfolgen, wenn die angestrebte Anhebung des durchschnittlichen Pensionsalters nicht funktioniert.

Der Ärger des Sozialministers über die Wirtschaftskammer war nichts im Vergleich zum „Frauenkrieg“ wegen des Ausbaus der Kinderbetreuung, über den sich SPÖ und ÖVP an sich einig sind. Der Haken dabei: Die Länder sind großteils gegen die geplante Öffnung der Kindergärten für 47Wochen pro Jahr.

Familienministerin ist wütend

Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) wollte den Ländern mit 45 Wochen entgegenkommen. Das wurde von der SPÖ mit Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek als „Rückschritt“ blockiert. Deshalb kam im Ministerrat dann kein Beschluss über die Bund-Länder-Vereinbarung zur Kinderbetreuung zustande. „Ich bin sehr enttäuscht und sehr wütend“, schnaubte Karmasin. Nach ihrer Darstellung sei man sich am Dienstag um 22 Uhr einig gewesen. Heinisch-Hosek antwortete giftig: „Ich habe meine Meinung nie geändert.“

Finanzstaatssekretärin Sonja Steßl (SPÖ) hat ihr Fett schon in der Vorwoche nach dem missglückten ORF-Auftritt zur Vermögenssteuer abbekommen. Nun durfte sie sich über einen Detailerfolg freuen: Die von ihr schon vor Wochen angekündigten verschärften Maßnahmen gegen Steuerhinterzieher kommen. Konkret drohen ab Oktober jenen Verschärfungen, die verspätet Selbstanzeige bei der Finanz erstatten, weil sie Steuern nicht oder nicht in vollem Ausmaß gezahlt haben. Wer erst bei Betriebsprüfungen Selbstanzeige erstattet, muss gestaffelt bis 30Prozent höhere Abgaben zahlen. Bis zu einer Abgabenschuld von 33.000 Euro beträgt der strafweise Zuschlag fünf Prozent, bis 100.000 Euro 15 Prozent, bis 250.000 Euro 20 Prozent und darüber dann 30 Prozent. Erstmalige Selbstanzeigen haben weiter strafbefreiende Wirkung, bei mehrmaligen Selbstanzeigen kommt man um ein Finanzstrafverfahren nicht herum.

Strafprozessreform ist fertig

Justizminister Wolfgang Brandstetter war nicht nur als juristischer Beistand beim Hypogesetz im Einsatz. Er legte auch eine Reform der Strafprozessordnung dem Ministerrat zum Beschluss vor. Damit wird den Staatsanwälten für Ermittlungen ein Zeitlimit von drei Jahren gesetzt, in Schöffenverfahren gibt es wieder einen zweiten Berufsrichter. Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr ohne Gerichtsverhandlung nur per Strafverfügung wird es doch nicht geben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2014)

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