Coworking Spaces: Im Netz werken

Unternehmen, die Flächen abseits des klassischen Büros suchen, Einzelkämpfer, die in Ruhe, aber nicht allein arbeiten wollen: Coworking Spaces sind Alternativen.

(c) Rochuspark/Christine Wurnig
(c) Rochuspark/Christine Wurnig

Was haben ein Architekt, eine Taschendesignerin, ein Journalistenkollektiv, ein IT-Spezialist, eine Unternehmensberaterin und das Zentrum für Sozialforschung und Wissenschaftsdidaktik gemeinsam? Sie arbeiten im selben Büro, in der Schraubenfabrik im zweiten Bezirk. Die Schraubenfabrik, mittlerweile um Rochuspark und Hutfabrik erweitert, ist so etwas wie die Mutter der Coworking Spaces in Wien, seit 2002 sind Ein-Personen-Unternehmen (EPU) und kleine und mittelgroße Firmen (KMU), hauptsächlich aus dem kreativwirtschaftlichen Bereich, hier erwerbstätig.

Start-ups & alte Hasen. Seit einigen Jahren boomt das Angebot von flexiblen Community-Büroflächen. „Und jetzt geht die Schere richtig auf. Neue Unternehmen haben die Ideen der New World of Work in ihrer DNA, ein klassisches Büro kommt für viele gar nicht infrage“, meint Michael Bartz, Professor an der IMC University of Applied Sciences Krems sowie Unternehmensberater mit den Schwerpunkten Zukunft der Arbeit und Produktivität.

Dabei sind in den neuen Bürowelten, wie es vielleicht zu erwarten wäre, längst nicht nur Jungunternehmer anzutreffen, die im Coworking Space erste Erfolge feiern, um dann in ein klassisches Büro weiterzuziehen. Schraubenfabrik-Chef Stefan Leitner-Sidl berichtet: „Unsere Mieter sind hauptsächlich etablierte Unternehmen. EPU, Zweier- oder Dreierteams. Einige sind seit zwölf Jahren dabei.“

Die gemeinschaftlich genutzten Büroangebote sind Ergebnis und Verstärker eines grundsätzlichen Wandels der Arbeitswelt: Flexibel verfügbare Arbeitsräume werden in Zeiten von deregulierten Arbeitsverhältnissen, von Outsourcing, von projektzentrierter Arbeitsorganisation und der wachsenden Bedeutung von interdisziplinären Netzwerken immer bedeutender für den Unternehmenserfolg. Laut aktueller Netzwerkstudie der FAS.research ist Coworking für die österreichische Kreativwirtschaft die wichtigste Vernetzungsmöglichkeit. Aber längst nutzen neben Werbern, Textern, IT-Machern auch Selbstständige aus anderen Branchen die immer vielfältigeren Möglichkeiten, das Home Office oder die Konzernzentrale zu verlassen.

Michael Bartz empfiehlt als Schlüssel zum idealen Büro die Workstyle-Analyse. Dabei werden die Bedürfnisse und Vorlieben jedes Mitarbeiters unter die Lupe genommen: Wer ist zufriedener und fleißiger, wenn er mehrere Tage in der Woche im Home Office oder in einem Coworking Space mit einem Kindergarten in der Nähe arbeitet? Wer ist viel unterwegs und auf wechselnden Flex Desks in unterschiedlichen Städten am produktivsten? Wer braucht jeden Tag den Austausch mit den Kollegen, wem tut der Kontakt zu einem wechselnden externen Netzwerk gut? Ebenfalls wichtig: Ausstattung, Serviceangebote und der Mietermix. Letzterer sollte zur eigenen Branche passen, gleichzeitig interdis-ziplinäre Anknüpfungspunkte bieten. Und natürlich die Frage: Wie viel Liquidität will man in Büroräume und Betriebskosten investieren?

Kosten senken. „Hohe Fixkosten können KMU und EPU schnell in Bedrängnis bringen, wenn die Auftragslage mau ist“, weiß Gerin Trautenberger. Der Gründer des Designerteams Microgiants widmet sich derzeit kreativwirtschaftlichen Unternehmensstrategien. Seine Faustregel für die Suche nach der passenden KMU-Bürolösung: Die Fixkosten inklusive Gesamtmiete und IT sollten nicht mehr als die Kosten für einen Mitarbeiter ausmachen.

Die meisten Coworking Spaces sind im Vergleich zu klassischen Büros relativ preisgünstig. Im Coworking Salzburg etwa kostet ein Tagesticket 22 Euro, im hauptsächlich von Social Entrepreneurs frequentierten Impact Hub Vienna 15 Euro, ebenso im Start-up-Treff Sektor 5. Michael Bartz’ Fazit: „Die Nutzung von flexiblen Büroräumen ermöglicht 20 bis 30 Prozent Einsparungen bei Energie, Reinigung, IT und Büroequipment.“ Zudem erlauben flexible Büros flexibles Wachstum: Werden mehr Mitarbeiter benötigt, wird ein Fix Desk mehr dazu gemietet.

Das nutzen auch expandierende Unternehmen mit Hauptsitz in klassischen Büros: Einzelne Mitarbeiter jobben in flexiblen Spaces, was weitaus günstiger und unkomplizierter ist, als mit der ganzen Belegschaft in ein größeres Stammbüro zu übersiedeln – und den Radius des Unternehmens erweitert. Mit modernen Kommunikationstools wie Skype oder DropBox funktioniert die enge Zusammenarbeit, auch wenn der Kollege weit weg ist. „Eine Revolution von unten“, meint Bartz. „Weil mobiles Arbeiten, Skypen für viele heute selbstverständlich sind, erwarten sie das auch von einem potenziellen Arbeitgeber.“

Heute hier, morgen dort. In Großbritannien nutzen auch Vertriebsmitarbeiter, die viel unterwegs sind, tageweise Hot Desks und Office Hotels im ganzen Land. Hierzulande zählen Sales-Mitarbeiter noch zu den Exoten in der neuen Bürowelt – dabei sind gerade sie häufig „on the road“ und immer auf der Suche nach neuen Kontakten.
Wer in einem gemeinschaftlichen Arbeitsplatz eincheckt, bekommt nicht nur einen Schreibtisch, sondern „wird Teil eines Ökosystems, eines lebendigen Organismus“, wie es Stefan Hagen formuliert. Der Unternehmensberater und Projektmanager ist mit seinem Vierpersonenteam Mieter im Campus Dornbirn, dessen Coworking-Konzept er mitentwickelt hat. Hagen ortet wachsendes Interesse von großen Unternehmen an Arbeitsplätzen in Coworking Spaces. „Immer mehr Konzerne nutzen die Möglichkeit, um etwa Projektentwicklungsteams für ein, zwei Monate aus dem Unternehmenskontext rauszunehmen und in einem Coworking Space die Innovationskraft, den Blick über den Tellerrand zu forcieren.“ Erwünschte Nebenwirkung: die Vernetzung mit anderen. „Davon profitieren beide Seiten, selbst wenn vorerst gar kein konkreter Auftrag herausschaut“, so Hagen. „Die Architektur sorgt für permanenten Kontakt. Diese Impulse können mitunter Störungen sein, aber sie trainieren die Muskeln, die Arbeitnehmer und Arbeitgeber immer mehr brauchen: den Lernmuskel und den Netzwerkmuskel.“ Das sei nicht nur für EPU und KMU aus dem Kreativitäts- bzw. Dienstleistungsbereich interessant. „Wenn ein Tischler, Landwirt oder Bäcker sein Büro in einen Coworking Space verlagert, fördert das seine Innovationskraft und hilft, neue Vertriebsmöglichkeiten und Kundengruppen zu erschließen.“

Gemeinschaftssinn. Die Schraubenfabrik wurde unlängst um fünf Werkstättenplätze erweitert. „Damit wollen wir Kreativhandwerkern den Anschluss an das Netzwerk ermöglichen. Bei uns können sie im Kontext einer Community von 60 Leuten arbeiten, statt allein in einem kleinen Kellerabteil“, so Leitner-Sidl. „Gleichzeitig machen wir unseren Work Space multidimensionaler, bieten für die Community Services wie ein internes Carsharing-System und eine Lebensmittelkooperative an.“ Die Wiederentdeckung des Gemeinschaftlichen im Urbanen, ausgehend von einem gemeinsam genutzten Arbeitsplatz, wird zusehends zum wichtigen Asset auf dem Markt.

Das Prisma-Zentrum auf dem Campus Dornbirn punktet mit Kinderbetreuungseinrichtungen, im Glücksraum-Gemeinschaftsbüro sind die Arbeitsplätze nach Feng-Shui–Prinzipien eingerichtet, gibt es Massagen oder Chill-Qigong. Welches flexible Büroangebot zu wem passt, liegt nicht zuletzt an derartigen Zusatzservices. Sie können den Arbeitsalltag und das Privatleben erleichtern, bieten sozialen Anschluss – und liefern potenziellen Mietern im Vorfeld Anhaltspunkte, wie die jeweilige Community tickt, und wo sich ein erster Vor-Ort-Besuch lohnen könnte.

BEGRIFFE AUS DER NEUEN BÜROWELT

Hot Desks und Flex Desks: Ideal für Start-ups oder digitale Nomaden, die einen Großraum mit Büroinfrastruktur stunden- oder auch tageweise nutzen wollen.

Coworking Spaces: Hier gibt es Arbeitsplätze und Infrastruktur (Drucker, Besprechungsräume etc.) auf Tages-, Wochen- oder Monatsbasis. Hoher Community-Faktor.

All-in-Office: Bezugsfertige Büroeinheiten für ein bis vier Personen zum Pauschalfixpreis mit umfassendem Leistungspaket.

Office Hotels: Für Kleinunternehmen auf Wachstumskurs sind Office Hotels oder auch Projekte von Immobilienentwicklern interessante Angebote.

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