Sitznachbar: Echte Typen

Wenn Visuelle auf Auditive treffen: Worin so mancher Streit im Büro begründet sein mag – und welche planerischen Mittel Abhilfe schaffen können.

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(c) Neudörfler

Warum macht es den Mitarbeiter auf der einen Seite des Schreibtisches wahnsinnig, dass sein Gegenüber aufdringlich laut telefoniert, während der andere es vor allem nicht leiden kann, dass sein Visavis sich dagegen mit diesen knallbunten Kopfhörern schützt, die in den Augen wehtun? Und warum finden beide, dass noch schlimmer nur der Kollege ist, der ständig mit seinem Handy am Ohr den Gang auf und ab rennt?

Möglicherweise liegt die Missstimmung an diesem Arbeitsplatz in der simplen Tatsache, dass die Kleingruppe aus einem visuellen, einem auditiven und einem kinästhetischen Typen besteht. Aus der Lernforschung weiß man, dass Menschen durch unterschiedliche Kanäle lernen und Informationen aufnehmen: Ein visueller Mensch tut sich mit geschriebenen Texten, Grafiken, Bildern und Illustrationen leichter, der Auditive merkt sich am besten Dinge, die er in einem Vortrag hört oder liest sich Texte selbst halblaut vor. Und der kinästhetische beziehungsweise motorische Lerntyp tut sich beim Begreifen komplexer Zusammenhänge leichter, wenn er sich dabei bewegen kann, lernt am besten durch Ausprobieren, Rollenspiele oder Experimente im Chemieunterricht. Und im selben Ausmaß, wie diese Kanäle beim Lernen helfen, werden auch Störungen besonders stark empfunden: Was den Auditiven lärmempfindlich macht, den Visuellen nur schwer mit schlechtem Licht zurechtkommen lässt und auf den motorisch Veranlagten den alten Witz zutreffen lässt, dass er einen Sprachfehler hätte, so er sich beim Reden auf seine Hände setzen müsse.

Bunte Mischung. Natürlich kommen nicht alle Typen in Reinkultur vor, die meisten Menschen sind Mischformen. In Zeiten der Großraumbüros und des sogenannten „Zonings“ am Arbeitsplatz, bei dem man sich nicht mehr mit einem Kollegen einigen muss, sondern teilweise stündlich neue Sitznachbarn hat, können entsprechende Befindlichkeiten noch stärker zutage treten. Allerdings finden sich in den Portfolios der modernen Büroausstatter auch immer mehr Dinge, die das Arbeitsleben der einzelnen Gruppierungen erleichtern – und das, ohne die jeweils andere zu stören.

Ticken übers Auge. Als Gewinner der Moderne dürfen sich wohl die Visuellen bezeichnen. „Die werden durch die neuen Arbeitswelten natürlich verwöhnt“, sagt Jens Jacobsen, Leiter Research & Design bei Bene. „Heute werfen ja selbst Rechnungsprüfer ihre Tabellen an die Wand, und es gibt riesige Walls, die man mit Präsentationen, Filmen und Kalkulationen befüllen kann“, nennt er nur einige Beispiele, von denen die auf das Sehen ausgerichteten Mitarbeiter profitieren.

Ganz wichtig für die Arbeitsplätze dieser Menschen ist auch die richtige Beleuchtung, lange ein Stiefkind in Österreichs Büros. „Oft wurde so geplant, dass die Möbel erst ganz zum Schluss hineingekommen sind und bereits vorher die falschen Flächen beleuchtet wurden“, erinnert sich Wilfried Lechner, Leiter Marketing und PR bei Neudoerfler, an die dunklen Zeiten. „Heute weiß man, dass eine gute Beleuchtung 30 Prozent als direktes Licht auf den Arbeitsplatz und 70 Prozent an die Decke abgeben sollte.“
Darüber hinaus seien heute auch die biorhythmischen Lampen ein großes Thema, mit denen der Verlauf des Tageslichtes simuliert wird, und etwa mit etwas hellerem Licht den Werktätigen nach der Mittagspause im Kampf gegen die Müdigkeit unterstützt. „Wenn man die Menschen fragt, wo sie am liebsten arbeiten wollen, sagen alle: draußen im Park“, weiß Jacobsen aus Untersuchungen, „und in der Forschung beschäftigen wir uns bereits mit Outdoor-Arbeitsplätzen, denn Arbeitgeber, die das erlauben, wären natürlich sehr attraktiv für Mitarbeiter.“

Immer in Bewegung.
Der Park wäre sicherlich auch für die motorisch Veranlagten ein hoch attraktiver Arbeitplatz. Aber auch in der real existierenden Arbeitswelt hat sich bereits einiges getan, was ihnen sehr entgegenkommt. „Für diese Gruppe passt natürlich das Konzept des Desk Sharing perfekt“, ist Lehner überzeugt, und tatsächlich lässt sich der bewegte Mensch wohl am leichtesten von der Nutzung eines Caddys mit persönlichen Dingen überzeugen, der vom temporären Schreibtisch zum Besprechungsraum oder in die Lounge gezogen wird. Und auch von dem Joch des Sitzens haben neue Raumkonzepte diesen Typen weitgehend befreit: „Das Thema Stehen ist wichtiger geworden, die Ergonomie überhaupt – und die ist nicht mehr wie vor 20 Jahren auf den Drehstuhl und acht Stunden Sitzarbeit fokussiert“, so Jacobsen. „Heute sitzt ein Arbeitnehmer auf mindestens fünf verschiedenen Stühlen am Tag, und der Körper profitiert davon, wenn man aufsteht und sich bewegt.“ Und selbst wenn er sitzen muss, kann der Kinästhet das nun auf bewegtere Art und Weise tun, Sitzgelegenheiten vom Sessel über die Couch bis zum Sitzsack sorgen für Abwechslung, und elektrisch verstellbare Tische, die als klassischer Schreibtisch und als Stehpult genutzt werden können. „In Chicago hat eine Firma bereits Laufbänder mit einem aufgebauten Arbeitsplatz angeboten“, weiß Jacobsen, „aber das ist dann doch eher in der Exotenecke geblieben.“

Hört, hört. Dem Auditiven wären wohl all diese Errungenschaften der neuen Arbeitswelt recht – solange sie keinen Lärm machen. Und mit dieser Einschränkung zählt der Geräuschempfindliche nur bedingt zu den Gewinnern in der Welt der Kommunikationszonen, temporären Arbeitsplätze und offenen Bürokonzepte. Zwar unterhält er sich gern und schätzt auch den Austausch, allerdings fühlt er sich durch einen hohen Geräuschpegel extrem gestört. Und steht damit nicht allein: „Lärm ist der größte Stressfaktor im Büro“, unterstreicht Lehner, „und viele glauben, dass mit einer Maßnahme alles erledig werden kann. Was natürlich nicht stimmt.“

Vielmehr gehe es um die Summe von Lösungen, angefangen bei einer Akustikmessung, um Schwachstellen zu analysieren, über die Wahl des richtigen Teppichs bis zu schallschluckenden Schrankfronten. „Die Materialien sind hier wirklich toll geworden“, sagt Jacobsen. „Fast alle Oberflächen lassen sich schallreduzierend ausstaffieren.“ Außerdem sorgen „Mittelzonenlösungen“ – das sind zum Beispiel Sitzecken, die durch hohe, schallisolierende Lehnen für Schutz sorgen – dafür, dass nicht alle alle Gespräche 1:1 mithören müssen.

Und manchmal helfen auch kleine Tricks dabei, den Geräuschpegel zu minimieren. „Wenn man sich selbst gut hört, spricht man automatisch leiser“, erklärt Jacobsen. Eine Tatsache, die in einer neuen Art von Ohrensesseln genutzt wird, in denen auch lebhafte Telefonierer sich mühelos etwas zurücknehmen. Und sich vielleicht auch etwas geschützter fühlen, wenn ein Motoriker daran vorbeirauscht oder der visuelle Chef schon wieder die nächste Präsentation an die Wand wirft.

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