Anzengruber: "Ich kann dem Staat gar nicht mehr geben"

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Sein Konzern wird das Bundesbudget nicht retten können, sagt Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber. Die budgetierten 169 Millionen Euro Dividende werden nicht kommen. Das Energieeffizienzgesetz hält er für "misslungen".

Die Presse: Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner hofft auf eine Einigung über das Energieeffizienzgesetz kommende Woche. Hoffen Sie das auch?

Wolfgang Anzengruber: Ich hoffe, dass dieses Gesetz nicht kommt. Wir sind damit vollkommen unzufrieden. Der Zugang ist ganz falsch. Wenn man die Menschen nicht in die Pflicht nimmt, wird man die Effizienz nie steigern können.

Derzeit wären Sie als Lieferant verpflichtet, dass Ihre Kunden weniger Energie verbrauchen. Andernfalls drohen Ihnen Strafen. Wie werden Sie damit umgehen? Vor zwei Jahren haben Sie als Alternative explizit eine Steuer auf Stromfresser gefordert.

Wir können natürlich den Kunden einen energieeffizienten Kühlschrank sponsern, aber was macht der gelernte Österreicher dann? Er stellt den alten Kühlschrank in den Keller und hat zwei laufen. Das bringt gar nichts. Das Gesetz ist misslungen. Das hätte man besser lösen können, etwa über einen Fonds, aus dem Maßnahmen für mehr Effizienz kofinanziert werden. Wir zahlen ja 1,5 Prozent Energieabgabe, das sind 880 Millionen Euro. Wenn wir nur die 20 Prozent Mehrwertsteuer nehmen, die noch dazu kommen, ist der Fonds schon gut gefüllt.

Dafür hätte der Finanzminister 200 Millionen Euro weniger.

Schon, aber aus der Wirtschaftsleistung, die ich so anrege, kommen ja wieder Steuern herein. Das wäre fast ein Nullsummenspiel. Aber so wie jetzt zu sagen, dass der Konsument nicht bezahlen wird, sondern der Lieferant, ist Augenauswischerei. Natürlich zahlt am Ende der Konsument.

Das Gesetz ist nicht die einzige Belastung durch die Regierung: Liest man im Budget nach, sieht man, dass der Bund nächstes Jahr 169 Mio. Euro Dividende von seinem Konzern erwartet (die Republik hält 51 Prozent am Verbund, Anm.). So viel gab es zuletzt, als Sie das Türkei-Geschäft verkauft haben. Geht sich das aus?

Nein, nie. Ich bin für viel verantwortlich, für das Bundesbudget sicher nicht. Erwarten kann man immer viel. Aber ich kann das Budget nicht retten.

Der Verbund wird also hundert Millionen Euro weniger an den Staat liefern als eingeplant?

Wir rechnen mit 150 Mio. Euro Gewinn, davon schütten wir 50 Prozent aus. Von den 75 Millionen bekommt der Finanzminister die Hälfte. Wenn die Prognose hält, landen wir also bei 37,5 Millionen. Punkt. Uns ist auch nichts anderes kommuniziert worden.

Haben Sie nachgefragt?

Nein, warum auch?

Erwarten Sie, dass der Staat eine Sonderdividende fordert?

Nein. Ich kann auch gar nicht mehr geben. Ich nehme sicher keinen Kredit auf, nur um Dividende zu zahlen.

Etliche Ihrer Kollegen legen sich stärker mit der Regierung an und werfen ihr Abzocker-Mentalität gegenüber großen Unternehmen vor. Haben Sie als Manager eines halbstaatlichen Konzerns da eine natürliche Beißhemmung?

Ich habe überhaupt keine Beißhemmung. Aber mein Geschäft ist die Energie. Privat habe ich politische Meinungen, nicht als Verbund-Chef. Es steht mir nicht zu. Ich finde das auch bei den Kollegen problematisch.

Energie ist in der Kritik ein wichtiger Punkt. Voest-Chef Wolfgang Eder etwa warnt vor Standortnachteilen. Teilen Sie die Kritik?

Zum Teil. Was sich in der Energiebranche abspielt, ist erschreckend. Wir drücken diesen Sektor zurück in die Planwirtschaft. Das Energiesystem funktioniert nicht mehr. Investiert wird nur in Windkraft und Fotovoltaik, weil sie gefördert werden und in Netze, weil sie reguliert sind.

Der Großhandelspreis ist so tief wie seit zehn Jahren nicht, der Strom so teuer wie nie zuvor. Und woher kommt das? Wir haben die fünfthöchsten Zuschläge auf Energie. Strom selbst ist bei uns billiger als in den USA. Aber die Steuern sind bei uns massiv und in den USA fast nichts.

Sind hohe Steuern die größte Belastung für unseren Standort?

Die Steuern sind ein massives Problem. Und die Schraube wird angezogen, nicht gelockert.

Darüber, dass die Steuern auf Arbeit sinken sollen, scheint die Regierung einig. Zur Finanzierung will die SPÖ Vermögensteuern unter dem Titel „Millionärssteuer“. Wären Sie dazu bereit?

Erstens bezahle ich ja Steuern in einem progressiven System. Zweitens wechseln wir in der Debatte ständig zwischen Vermögenssubstanz- und Vermögenszuwachssteuern.

Die SPÖ will Substanzsteuern.

Ich sage: Zuerst ein effizienter Staat, dann reden wir über höhere Steuern.

Einige wohlhabende Manager haben sich im „Profil“ für Vermögensteuern ausgesprochen. Sie waren da nicht dabei, oder?

Nein. Aber Sie werden mich auch nie auf einer Modeschau sehen.

Zur Energie: Aufgrund der Weichenstellungen in der EU schreiben Gaskraftwerke Verluste, sie mussten fünf Kraftwerke stilllegen oder einmotten. Sind Sie ein Opfer der EU-Energiepolitik?

Klar. So wie alle anderen Energieversorger auch.

Was müsste passieren, damit sich das wieder ändert?

Oberstes Ziel müsste die CO2-Reduzierung sein. Alle verzerrenden Maßnahmen müssten gestoppt werden – jede Förderung für Kohle, Atomstrom, Wind- oder Solarkraft. Erneuerbare Energie ist auch nur Mittel zum Zweck. Man muss korrigieren, sonst fährt alles an die Wand. Je länger wir warten, desto teurer wird es.

Für den Ausstieg des Verbunds aus der Türkei gab es viel Lob, aber auch auch Kritik: Die FMA ermittelt wegen Marktmanipulation gegen Sie. Was ist passiert?

Es geht um die Ad-hoc-Pflichten (gesetzliche Meldepflichten für börsenotierte Unternehmen, Anm.). Ich bin 150-prozentig sicher, alles richtig gemacht zu haben. Viel mehr kann ich dazu nicht sagen. Da war nie eine Absicht, irgendetwas zu manipulieren. Es gab kein Insidertrading, keine Auffälligkeit beim Börsenkurs, gar nichts. Aber es ist natürlich legitim, dass die FMA sich das ansieht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.06.2014)

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